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MARXISMUS UND DIE HEUTIGE WELT



Frage: Der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks, wurde als Scheitern des Sozialismus und das Ende des Kommunismus bezeichnet. Gibt es überhaupt etwas Wahres an dieser allgemein verbreiteten und offiziellen Darstellung dieser Entwicklungen seitens der Bourgeoisie? Inwiefern, kann man, ihre Meinung nach sagen, daß das Scheitern der sowjetischen Praxis, allgemein eine negative Prüfung für den Kommunismus und den Sozialismus gewesen ist?

Mansour Hekmat: Soweit es den Sozialismus und den Arbeiterkornmunismus als auch den Marxismus als deren ideologische und theoretische Rahmenbedingung angeht, stellen diese Ereignisse weder das Scheitern des Sozialismus noch das Ende des Kommunismus dar. Es ist das Scheitern und das Ende einer bestimmten Prägung des Bourgeois-Sozialismus, der die Grundlage des staatskapitalistischen Modells gewesen ist. Daß die sowjetische Realität dem marxistischen Verständnis von Sozialismus und Kommunismus völlig entfremdet war, war nicht nur für den größten Teil der Strömung, die sich kommunistisch nannte, klar, sondern zahlreiche Sowjetexperten und Denker der Bourgeoisie haben das eingeräumt. Das heutige Beharren der offiziellen Ideologie der Bourgeoisie darauf, die Sowjetunion wieder mit dem Kommunismus und dem Marxismus in Verbindung zu bringen sowie eine Reihe von Analysen von Bourgeois-Akademikern und Beobachtern, die eine gegenteilige Position vertreten hatten, zu verschweigen, ist eine propagandistische Offensive, die heute von dem Hintergrund des Scheiterns des Ostblocks gegen den Marxismus und den wirklichen Arbeiterkommunismus stattfindet. Sie behaupten der Sozialismus ist gescheitert, damit sie ihn zum Scheitern bringen können; sie behaupten, der Kommunismus ist am Ende, damit sie ihn zu Ende bringen können. Dies sind die Prahlereien und das Kampfgeschrei der Bourgeoisie, und je ohrenbetäubender dies Geschrei ist, desto deutlicher wird, daß der Kommunismus in der Bourgeois-Gesellschaft als eine drohende Alternative der Arbeiter gilt. Aus dem Zusammenbruch des Ostblocks alleine kann man keine Schlußfolgerungen für den Sozialismus und den Kommunismus ziehen, weil die Sowjetunion und der Ostblock weder nach wirtschaftlichen und politischen noch nach administrativen und ideologischen Kriterien den Sozialismus und den Kommunismus repräsentiert haben. Aber die sowjetische Praxis insgesamt stellt Zweifel los einen mißlungenen Versuch der Oktober-Arbeiterrevolution dar.

Wir haben uns schon in dem Bulletin "Marxismus und die Problematik der Sowjetunion" zu diesem Thema geäußert. Ich bin der Meinung, daß es der Arbeiterrevolution von I917 gelang, der Bourgeoisie die politische Macht aus der Hand zu reißen, und. die unmittelbaren, politischen und militärischen Versuche der gestürzten Machthaber zur Wiederherstellung der alten Ordnung in Rußland zurückzuschlagen. Aber ab diesem Zeitpunkt war das Schicksal der Arbeiterrevolution direkt mit seiner Fähigkeit oder Unfähigkeit, die vorhandenen wirtschaftlichen Verhältnisse revolutionär zu ändern und das ökonomische und sozialistische Programm der Arbeiterklasse durchzusetzen, verbunden, und genau ab diesem Zeitpunkt konnte die russische Revolution sich nicht weiter entwickeln. Die Verstaatlichung des Kapitals und das staatliche Eigentum an den Produktionsmitteln haben die Vergesellschaftung und die Umwandlung der Produktionsmittel in Gemeinschaftseigentum ersetzt. Lohn und Lohnarbeit, Geld, Tauschwert und Trennung der produzierenden Klasse von den Produktionsmitteln blieben unberührt. In der zweiten Hälfte der 2Oer Jahre wurde der Aufbau einer nationalen Wirtschaft nach dem staatskapitalistischen Modell, welches praktisch die einzige historisch machbare Alternative der Bourgeoisie zur Beibehaltung der kapitalistischen Verhältnisse in diesem Land angesichts der erfolgreichen Arbeiterrevolution war, als Ziel gesetzt. Notwendigerweise wurde mit der wirtschaftlichen Befestigung des Kapitals der politische Sieg der Arbeiterklasse in Rußland rückgängig gemacht. Anstelle des revolutionären Arbeiterstaates in der Zeit Lenins hat eine staatliche, zentralistische Bourgeois-Bürokratie die Macht übernommen. In der Sowjetunion hat der Bourgeoisnatiorialismus, der sich auf ein modifiziertes kapitalistisches Modell stützte, den Kommunismus besiegt. Heute ist dieses ganze Phänomen zusammengestürzt. Nicht der Zusammenbruch sondern bereits die Entstehung dieses Phänomens ist ein Beweis für den Mißerfolg des Arbeitersozialismus. Und das hat mit den heutigen Ereignissen nichts zu tun.

Man kann über die Gründe dieses Mißerfolgs viel sagen. Ich bin kurz gesagt der Meinung, daß die wichtigste Lexiken aus der sowjetischen Praxis für die Marxisten die ist, daß der Marxismus, genauso wie es die Praxis der Pariser Kommune gezeigt hat, ohne die Durchführung seiner wirtschaftlichen Alternative, ohne eine Umwälzung der wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft, zum Scheitern verurteilt ist, und daß jeder politische Sieg ohne dieses wirtschaftliche Revolution letztendlich zum Mißerfolg führen wird. Die sozialistische Revolution ist nicht dividierter und muß insgesamt als eine soziale Revolution triumphieren. Aber eine Revolution der wirtschaftlichen Verhältnisse muß wirklich eine Revolution und keine Reformierung des vorhandenen Systems sein. Die Grundlage dieser Revolution ist die Abschaffung des Systems der Lohnarbeit und die Vergesellschaftung der Produktions-und Distributionsmittel. Dies ist in der Sowjetunion nie geschehen.

Frage: Wichtige Abschnitte in der Geschichte der Sowjetunion und des Ostblocks haben erschütternde Einflüsse auf die sogenannte kommunistische Bewegung und die Popularität des Sozialismus gehabt. Die Gerichtsverhandlungen der 30er Jahre, Enthüllungen der geheimen Reden Chruschtschows über die Ära Stalin, die Besetzung Ungarns und später der Tschechoslowakei; jedes dieser Ereignisse hat eine Welle des Abschiedes von Marxismus und Kommunismus jenseits der Ostblockgrenzen ausgelöst. Aber was wir heute beobachten, hat ganz andere Dimensionen als vorherige Fälle. Was denkst du über diesen temporeichen Verabschiedungsprozeß der ehemaligen “Kommunisten” von Marxismus. Inwiefern macht der Zusammenbruch des Ostblocks eine Revision des Marxismus notwendig?

Mansour Hekmat: Bevor der Marxismus zu einer Reihe von Axiomen und Voraussagen wurde, war er eine Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist klar, daß diese Kritik selbst sich auf eine gültige Analyse der Fundamente dieses Systems und seiner inneren Widersprüche stützt. Ich bin der Meinung, daß der Abschied vom Marxismus der Abschied von der Wahrheit ist. Auch wenn noch tausend Sowjetunionen Zustandekommen und zusammenbrechen, ändert das nichts an meiner Kritik als Marxist an der heutigen Gesellschaft und an meiner Vorstellung von einer menschenwürdigen Gesellschaft und daran, welche soziale Krach diese neue Gesellschaft zustande bringen kann. Der Marxismus ist methodologisch und inhaltlich sehr umfassend, solide und eine sehr tiefgehende Analyse der kapitalistischen Gesellschaft.

Der Marxismus ist die Kritik und die Anklage eines bestimmten Teiles der Gesellschaft, nämlich die der Lohnabhängigen Arbeiterklasse an den vorhandenen Verhältnissen. Ich denke, daß nicht nur die heutigen Ereignisse in der Sowjetunion, sondern die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten unserer Zeit insgesamt, und die Themen, mit denen die heutige Welt sich beschäftigt und über die in den Medien, Akademien und sonstigen Bereichen wie Kunst und Literatur usw. diskutiert wird, täglich die Richtigkeit der marxistischen Analyse und Kritik an dieser Gesellschaft beweisen. Marx wurde verspottet, weil er die ökonomischen Verhältnisse als bestimmend für das politische und kulturelle Leben der Gesellschaft bezeichnet hat. Heute können Sie jeden auf der Straße befragen, und Sie werden sehen, daß sowohl der zunehmende Rassismus, Nationalismus, Faschismus und die zunehmende Kriminalität als auch die Popularität einer bestimmten musikalischen oder künstlerischen Richtung mit der wirtschaftlichen Lage in Verbindung gebracht wird. Ein Mullah im Iran sieht die Überlebensfähigkeit der Religion in Zusammenhang mit der Funktion der Zentralbank und dem Industrieministerium sowie dem Umtauschkurs zwischen Rial und Dollar. Letztendlich weiß jeder, daß es um Gewinnerzielung und Arbeitsproduktivität geht. Letztendlich ist jeden bewußt, wozu der Staat da ist, und warum die Polizei und die Armee geschaffen wurden. Alle wissen, daß im herzen der Gesellschaft eine ständige Auseinandersetzung zwischen Arbeiter und Kapitalist, zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber andauert. Es ist schon klar geworden, daß jedes bißchen Freiheit und Menschlichkeit in der Gesellschaft abhängig von dem Ausmaß der Kraft der Arbeiter und Arbeiterorganisationen gegenüber den kapitalistischen Institutionen und den dazugehörigen Parteien und Staaten geworden ist. Die Erwartung, daß die Arbeiterorganisationen gegen Ausbeutung, Diktatur und Diskriminierung und für sozialen Wohlstand usw. sein sollen, ist eine weit verbreitete und selbstverständliche Erwartung der Bevölkerung geworden. Arbeiter werden mit Freiheit und Wohlstand assoziiert, die Bourgeoisie wird mit Diskriminierung und Ausbeutung. Meiner Meinung nach war das 20. Jahrhundert das Jahrhundert des Marxismus und der Verbreitung der marxistischen Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft. Deshalb insofern es den Marxismus aIs eine Anschauung, die einen Anspruch auf eine wahre Erkenntnis der Gesellschaft hat, betrifft - gibt es nicht nur keinen Grund, diese Anschauung zu revidieren, sondern die internationalen Ereignisse haben die Richtigkeit dieser Anschauung noch stärker betont.

Aber die heutige Welle, vom Marxismus Abschied zu nehmen, hat mit der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der marxistischen Analyse nichts zu tun. Dies ist ein politischer Prozeß. Die Entscheidungen, die getroffen werden, sind politische und nicht wissenschaftliche Entscheidungen. Es ist nicht so, daß mit den neuesten Ereignissen plötzlich das Licht der Weisheit in den Herzen einiger Leute angezündet worden ist. Dabei spielt die Frage, ob die marxistische Analyse die Wahrheit entspricht oder nicht, keine große Rolle. Diejenigen, die versuchen, diesen in der Gesellschaft weit verbreiteten politischen Rückzug der Linken als eine wissenschaftliche Revision darzustellen, sind meiner Meinung nach die verabscheuungswürdigsten Opportunisten überhaupt. Tatsache ist, daß die politische und ideologische Offensive der Bourgeoisie gegen den Marxismus und Sozialismus, verstärkt durch den Zusammenbruch eines pseudosozialistischen Blocks, zu einem ungeheuren politischen und propagandisitischen Druck auf den Linken Flügel der Gesellschaft geführt hat. Der Prozeß der Hinwendung der reformwilligen Intellektuellen zum Marxismus, der ein charakteristisches Merkmal der Ära nach dem zweiten Weltkrieg bis hin zu den 70er Jahren war, hat sich umgekehrt. Es wird dauern, bis diese Welle der Offensive nachgelassen hat, und die Bourgeoisie wird noch nennenswerte Schläge vom Proletariat hinnehmen müssen, bevor es noch einmal dazu kommt, daß die Bourgeois-Intellektuellen sich von einer Bezeichnung als Marxist wieder mehr Ansehen versprechen. Ich muß noch hinzufügen, daß ein großer Teil der "Marxisten" in Wirklichkeit unzufriedene und nichtsozialistische Kritiker der vorhandenen Gesellschaft waren, die sich angesichts der allgemeinen Autorität des Marxismus in der antikapitalistischen Bewegung notgedrungen den marxistischen Schuh angezogen hatten. Nationalisten, Reformisten, Industrien in der Dritten Welt, Anhänger der Unabhängigkeit, Gegner der Monopole, unterdrückte Minderheiten und verschiedene andere Gruppierungen hatten den Marxismus und den Sozialismus, als die Form der Formulierung ihrer Proteste und Forderungen gewählt. Gestern war der Marxismus in, und sie waren "Marxisten", und heute ist die "Demokratie" in, und sie haben sich um diese Demokratie versammelt, um die Verwirklichung der gleichen damaligen Ziele und Wünsche diesmal von der Demokratie und dem Markt zu verlangen. Es war damit zu rechnen, daß sie sich in der gegenwärtigen Periode vom Marxismus trennen würden, und das ist auch ein Grund zur Freude. Obwohl dadurch der Druck auf den Marxismus zunehmen wird, wird aber gleichzeitig die Formierung eines tiefst marxistischen Arbeiterkommunismus in vielen Hinsichten leichter.

Meiner Meinung nach besteht keine Notwendigkeit der Revision des Marxismus, vorausgesetzt, daß wir den Marxismus von den Klischees, die unter diesem Namen seit Jahrzehnten für andere politische Zwecke angeboten worden sind, trennen. Was notwendig ist, ist eine ernsthafte analytische und theoretische Beteiligung der Marxisten in verschiedenen Bereichen der Sozialtheorien. Es fehlt die marxistische Stellungnahme über die verschiedenen Aspekte der heutigen Gesellschaft und die entscheidenden Prozesse, mit denen unsere heutige Welt konfrontiert ist. Die Verteidigung des Marxismus als eine Weltanschauung und eine soziale Theorie bedeutet nicht die Wiederholung der allgemeinen Aussagen des Marxismus, unabhängig von der aktuellen sozialen Lage. Es bedeutet die Teilnahme als Marxist an der theoretischen Auseinandersetzungen in Jeder Periode und das Analysieren der aktuellen Probleme, die sich auf dem Weg der historischen Entwicklung der Gesellschaft und des Klassenkampfes herausstellen. Was wir brauchen ist nicht eine Revision der einzigen radikalen und wahrheitssuchenden Betrachtungsweise der Gesellschaft, sondern die Anwendung dieser Betrachtungsweise in der heutigen Welt mit ihren diversen Problemen.

Frage: Und wie ist das mit Lenin und dem Leninismus? Muß der Leninismus nicht neu bewertet Werden? Bezeichnen Sie sich immer noch als Leninist?

Mansour Hekmat: Wir leben in einer Zeit, in der wir unsere Sachverhalte neu definieren müssen, bevor wir solche Fragen beantworten können. Wenn es um eine realistische Bewertung von Lenin, die Richtigkeit und Fundiertheit seiner Ansichten und Praktiken aus der Sicht des Marxismus und seinem Anteil an der revolutionären Theorie und Praxis der Arbeiterklasse usw. gehen würde, bin ich natürlich ein Leninist. Lenin war ein aufrichtiger Marxist, mit einer grundsätzlich richtigen Interpretation des Marxismus und ein ehrlicher, führender Kopf der sozialistischen Bewegung der Arbeiterklasse in der Welt.

Der Leninismus als eine Bezeichnung und als ein "Untertitel”, der bestimmte Tendenzen und Flügel in der sogenannten kommunistischen Bewegung voneinander unterscheiden soll, hat seine eigene Geschichte, und die ursprünglichen Erfinder dieser Bezeichnung in der Stalinaera oder die Strömungen, die während der späteren Abspaltungen von diesem offiziellen Mainstream-Kommunismus den Titel Marxismus-Leninismus in den Vordergrund stellen, wollten alle durch diese Bezeichnungen, wie viele andere marxistische Terminologien, ihre eigenen, ganz weltlichen, und in der Regel nichlsozialistischen Interessen und Differenzen artikulieren. Meiner Meinung nach sind solche Versuche nicht nur eine Ausnutzung des Ieninschen Ansehens gewesen, sondern der Leninismus wie ich ihn verstehe widerspricht solchen "Leninisten" vollkommen. Auch die Bourgeoisanalytiker versuchen ihrerseits die gesamte sowjetische Praxis Lenin zuzuschieben und diese Praxis als eine natürliche Ausdehnung der leninschen Linie darzustellen. Diese Vorgehensweise ist heute natürlich Mode geworden. Sie vergessen, daß seinerzeit, nämlich zum Zeitpunkt der Oktoberrevolution, sogar die Bourgeoisie selbst Lenin öffentlich als eine revolutionäre Figur, die für Freiheit und Gerechtigkeit steht anerkannt hat. Tatsache ist, daß der Leninismus weder in der Theorie und Praxis der herrschenden Parteien in der Sowjetunion, Chinas und Albaniens, noch in der politischen und sozialen Realität der sowjetischen Gesellschaft vertreten wird. Diese Parteien und diese Praxis haben vollkommen auf einer Verfälschung Lenins und seiner Ideen und Ziele aufgebaut. Lenin war ein leidenschaftlicher Vertreter von Gleichheit, Freiheit und Menschlichkeit. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Diktatur, Bürokratie und nationale Unterdrückung sowie lange Schlangen, um für Brot und Fleisch anzustehen, Lenin zuzuschieben.

Vom Standpunkt der marxistischen Theorie und Praxis, ist Lenin eine herausragende Figur. Formulierungen wie z.B. "der Leninismus ist der Marxismus der imperialistischen Epoche" sind sehr trivial. Man muß den Stellenwert Lenins und seinen konkreten Beitrag zur kommunistischen Bewegung, in der unzweideutigen Verbindung, die er zwischen der revolutionären Theorie und Praxis herstellt, suchen. Meiner Auffassung nach ist Lenin die vollkommene Verkörperung der Treue zur marxischen Interpretation des Kommunismus aIs "praktikabler Materialismus". Lenins Besonderer Beitrag war das Begreifen der Rolle des revolutionären Willens der Arbeiterklasse im materiellen Prozeß der kapitalistischen Gesellschaft und das Begreifen der Möglichkeiten des aktiven Elements der Arbeilerrevolution auf der Grundlage der gesellschaftlichen Gegebenheiten in jeder Periode. Lenin hat die evolutionäre und passive Betrachtungsweise der zweiten Internationale zurückgewiesen und hat genau die gleiche aktive Interpretation des Kommunismus wie Marx vorgelegt. Vereinfacht formuliert: der Sozialismus in der Zeit vor Lenin hat von Marx "die Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit" des Sozialismus gelernt. Lenin betont die "Realisierbarkeit" des Sozialismus in dieser Epoche und fängt praktisch an, das zu verwirklichen. Lenins Verständnis der Geschichte und die Rolle der revolutionären Praxis der Klassen in der historischen Entwicklung sind zutiefst marxistisch. Lenin schafft Platz Für diese Praxis und organisiert sie. Ich weiß, daß die späteren und hauptsächlich kleinbürgerlichen Interpretationen des Stellenwertes des aktiven Elements und der revolutionären Praxis, zu einer voluntaristischen, elitären und konspirativen Strömung im Sozialismus geführt haben. Aber jede einfache Untersuchung von Lenins Theorie und Praxis zeigt, daß er frei von diesem Voluntarismus ist. Erstens, hat für Lenin die revolutionäre Praxis eine soziale und klassenrelevante Bedeutung und zweitens abstrahiert Lenin nie von den objektiven und sozialen Verhältnissen, die das Ausmaß der revolutionären Praxis der Klasse einschränken und bedingen.

Ich denke, daß für alle, die den Sozialismus nicht als ein dekoratives Ideal, sondern als ein dringendes und praktisches Ziel betrachten, und daß für alle, die an die praktische Verwirklichung des Sozialismus und der Arbeiterrevolution denken, Lenin ein politischer Vordenker und Führer und eine reichhaltige Quelle des Lernens und der Inspiration bleibt.

Frage: Der Zusammenbruch der Sowjetunion hat den Standpunkt gestärkt, daß Kapitalismus und Freier Markt das beste, effektivste und machbarste wirtschaftliche Modell ist, daß die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte überhaupt verwirklichen Können. Was sagen Sie als Marxist zu dieser Behauptung?

Mansour Hekmat: Man muß hier zwei Themen voneinander trennen. ein Thema ist der Vergleich der Funktionen verschiedener Versionen des Kapitalismus in Ost und West, und das zweite Thema ist der Vergleich des Kapitalismus (sowohl die Version mit Wettbewerb als auch andere Versionen) mit dem Sozialismus als eine soziale und wirtschaftliche Alternative. Der Sozialismus - so wie ihn die Marxisten verstehen - wurde bis heute noch nirgendwo verwirklicht. Wir sind der Meinung, daß man das wirtschaftliche System in der Sowjetunion in keiner seiner Phasen vom Gesichtspunkt der Marxisten und der Arbeiter sozialistisch nennen konnte. Ich werde auf die Problematik Kapitalismus Kontra Sozialismus noch zurückkommen, nachdem ich zunächst einige Punkte über die verschiedenen Entwicklungsmodelle des Kapitalismus in Ost und West erläutert habe.

Ist Kapitalismus, gestützt auf Markt und Wettbewerb, "das beste, effektivste und machbarste" Wirtschaftsmodell für die Gesellschaft, das bis heute in die Praxis umgesetzt werden konnte? Um diese Frage überhaupt beantworten zu können, muß man zu erst einmal einen Maßstab definieren, um beurteilen zu können, ob ein Wirtschaftssystem besser oder schlechter, effektiver oder ineffektiver ist. Diese Begriffe sind sehr subjektiv und unbestimmt, und je nachdem, was der einzelne von dem Wirtschaftssystem erwartet, werden diese Begriffe umdefiniert. Das ist selbst in der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft lange ein Diskussionsthema gewesen. Das quantitative Wirtschaftswachstum, das technische Wachstum, die Verteilung des Reichtums, die industrielle Basis, das Beschäftigungsniveau, die Qualität der Güter, Autarkie oder eine stabile Position auf dem Weltmarkt usw. wurden selbst in den verschiedenen bourgeoisökonomischen Schulen als unterschiedliche und sogar widersprüchliche Maßstäbe für die Definition "besserer" und "schlechterer" Wirtschaftsmodelle verwendet und führten dazu, daß sich die ökonomischen Schulen und die politischen Parteien der Bourgeoisie miteinander auseinandersetzen mußten. Man kann sich bezüglich des "effektivsten und machbarsten Wirtschaftsmodell" fragen, "das effektivste und machbarste Wirtschaftsmodell für welche Gesellschaft, in welcher Epoche und mit welchen Problemen" ? Diese Frage ist schon immer ein Problem der Entwicklungswirtschaft gewesen. Für den russischen Kapitalismus und die Bourgeoisie nach der Oktoberrevolution war das Modell des freien Marktes überhaupt keine machbare und effektive Alternative. Die Geschichte des größten Teiles der unterentwickelten Länder (oder sogar Länder wie Japan) haben die Tatsache bestätigt, daß sogar die Schaffung eines einheimischen Waren und Arbeitsmarktes in der Anfangsphase, die Bildung einer ursprünglichen industriellen Basis oder die Beseitigung vorkapitalistische Hindernisse usw. ohne einen Eingriff in den Marktmechanismus von oben nicht möglich gewesen wäre. Selbst die Geschichte des westlichen Kapitalismus weist viele Phasen auf, in denen der Staat gezwungen war, in den Marktmechanismus einzugreifen, um Rezessionen und Krisen oder technologische Restrukturierungen bewältigen zu können. Schon heute können Begriffe wie Wettbewerb oder freier Markt nicht ohne starke Modifizierung für die Beschreibung des westlichen Kapitalismus verwendet werden, weil der Staat und nichtstaatliche Monopole eine grundlegende strukturelle Rolle bei der Lenkung der Kapitalbewegung und der Festlegung wirtschaftliche Indikatoren wie Preise, Zusammensetzung der Produktion, Wachstumsrate, Beschäftigungsniveau usw. spielen.

Trotzdem bin ich der Meinung, daß man den Anhängern des westlichen Kapitalismus Recht geben muß, wenn sie die Überlegenheit des westlichen Wirtschaftsmodell über das des Ostens verkünden, egal ob ihr Maßstab die Hypothesen der kapitalistischen Gesellschaft oder der quantitativen Indikatoren der wirtschaftlichen Funktionen der beiden Blöcke auf einer breiten historischen Ebene ist. Das sowjetische Wirtschaftsmodell konnte als ein reformiertes kapitalistisches Modell keine besseren und effektiveren Rahmenbedingungen für Kapitalakkumutation und die Abschwächung der inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise bieten. Das kapitalistische Modell sowjetischer Prägung war dadurch gekennzeichnet, daß es versucht hat, den Marktmechanismus durch ein administratives System zu umgehen, was als Gegensatz zwischen Plan und Markt bezeichnet wurde. Die Beseitigung des Marktmechanismus ist möglich unter der Voraussetzung, daß das Wirtschaftsfundament des Kapitalismus, nämlich der Warencharakter der Arbeitskraft, die Existenz eines Wertsystems als Basis für den Tausch und die Verteilung der Produkte zwischen verschiedenen Sektoren und Einheiten der Gesellschaft, eine Wirtschaft, die auf Geld basiert usw. vollkommen beseitigt wird. Aber es ist nicht möglich, diese Verhältnisse unberührt zu lassen und gleichzeitig zu versuchen, den Markt als materielle Kristallisation dieser Verhältnisse und als einen Mechanismus, der sie alle miteinander verbindet, zu umgehen, ohne daß die Funktionen des Kapitalismus ernsthaft gestört werden. Das ist das, was in der Sowjetunion geschehen ist. Was dort passierte, war nicht die Ersetzung des Marktes durch Pläne, sondern die Übertragung der Funktionen des Marktes auf administrative Entscheidungsorgane. Im Marktkapitalistischen System übernimmt der Markt (unabhängig vom Ausmaß des Wettbewerbs und des Monopols) komplizierte und verschiedenartige Funktionen: Was soll produziert werden, wieviel soll produziert werden, welche Technik sott angewendet werden, wieviel soll konsumiert werden, wer soll konsumieren, wie groß sind die Produktionskapazitäten, wieviel Produktionsmittel und wieviel menschliche Arbeitskraft sollen in welchen Sektoren genutzt werden, wie hoch ist der Wert und der Preis der Waren von der Arbeitskraft bis hin zu den Produktions- und Konsumtionsmitteln gerechnet, welches Management und welches Produktionssystem sollen in jeder dieser Phasen angewendet werden, welche Bedürfnisse sollen befriedigt werden, und welche sollen unbefriedigt bleiben, welche Richtung soll die Wirtschaft einschlagen, welche Produktionsmittel sollen aus dem Umlauf gezogen werden, welche Technik ist schon überholt usw. Je entwickelter die Industrie und die Produktion und je vielfältiger die Waren und Bedürfnisse in einer Gesellschaft sind, desto komplizierter wird die Rolle, die der Markt spielt. Der Versuch, diesen Mechanismus zu umgehen und statt dessen diese Aufgaben an administrative Organe zu delegieren, bringt den Kapitalismus früher oder später in eine Sackgasse. Lange Zeit hat die Sowjetunion behauptet, daß ihr im Gegensatz zum Westen Phänomene wie zyklische Krisen und Arbeitslosigkeit unbekannt sind. Aber diese Krisen, Arbeitslosigkeit und konjunkturelle Tief und Höhepunkte sind für den Kapitalismus Mechanismen, mit deren Hilfe das Kapital sich den grundsätzlichen ökonomischen Widersprüchen im System anpaßt. Es sind Mechanismen, mit deren Hilfe sich das Kapital auf das Wachstum der Produktionskräfte in diesem System einstellt. Es sind Mechanismen, mit denen sich das Kapital restrukturiert und einen Ausgleich zum qualitativen und quantitativen Wachstum (technologisch) der Produktionskräfte findet. Im Laufe der Geschichte sind alle Produktionsweisen, unabhängig davon, wie ausbeuterisch und klassenbezogen sie gewesen sein mögen, letztendlich eine Organisation für die Ausweitung des Produktionsvolumens, das Wachstum der Produktionstechnologie und die Befriedigung ökonomischer Bedürfnisse gewesen. Wenn man heute überhaupt etwas über die sowjetische Wirtschaft sagen kann, dann; daß dieses Modell in einer bestimmten Phase von diesem Gesichtspunkt aus in eine Sackgasse geraten ist. Die sowjetische Praxis hat gezeigt, daß der Markt selbst das effektivste Instrument für ökonomische Berechnungen und die Erstellung ökonomischer Gleichungen im kapitalistischen System ist, und sollten sogar unter bestimmten Bedingungen das Umgehen des Marktmechanismus und die Delegierung seiner Funktionen an ein System administrativer Anordnungen gewisse wirtschaftliche Wegverkürzungen ermöglichen, werden längerfristig gesehen das technische Wachstum und die Vielfalt der Produktions- und Konsumtionsbedürfnisse der kapitalistischen Wirtschaft dennoch diese Strategie in eine Sackgasse führen.

Heute rächt sich der Markt am wirtschaftlichen System der Sowjetunion. Plötzlich tauchen dort anstelle der nicht vorhandenen Krisen, niedriggehaltenen Preise, subventionierten Industrien usw. Millionen von Arbeitslosen, wahnsinnige Inflationsraten und stillgelegte Fabriken auf Es wird klar, daß der Markt bisher in einer negierenden Art und Weise alles bestimmt hat. Das sowjetische Modell hatte sich besonderes während des anfänglichen Wachstums der Industrie in diesem Land und bei der Bildung wirtschaftlicher Infrastrukturen als effektiv erwiesen, was zum großen Teil auf die politische und ideologische Mobilisierungskraft der Oktober-Arbeiterrevolution zurückzuführen war. Solange die Steigerung der Produktion durch den Einsatz einer wachsenden Anzahl menschlicher Arbeitskräfte und die Erzielung des absoluten Mehrwerts möglich war, und das ländliche Gebiet diese menschlichen Kräfte anbieten konnte, machten sich die Probleme dieses Systems nicht bemerkbar. Später aber, besonderes dann, als die Produktion des relativen Mehrwerts durch technische Verbesserungen ausschlaggebend wurde, und als die Bedürfnisse der Gesellschaft, seien es Konsumtions oder Produktionsbedürfnisse, vielfältiger wurden, und als die Qualität der Produktions- und Konsumtionswaren an Bedeutung gewann, offenbarte sich die grundsätzliche Schwäche des Systems. Die Sowjetunion war nicht in der Lage, an der technischen Revolution der letzten zwei Jahrzehnte teilzunehmen. Das sowjetische Modell war nicht in der Lage, die vielfältigen Produktions- und Konsumtionsbedürfnisse einer hochindustrialisierten Wirtschaft zu befriedigen- Deshalb ist das sowjetische Modell aus der Sicht des Kapitals nicht brauchbar und der auf den Markt gestützte Kapitalismus wird immer noch als das einzige effektive und machbare Wirtschaftsmodell angesehen.

Man könnte vielleicht sagen, daß die sowjetische Gesellschaft immerhin eine gerechtere Gesellschaft war; es gab mehr soziale Leistungen und wirtschaftliche Sicherheit; die Kluft zwischen den Klassen war geringer usw. Aus der Sicht der westlichen Bourgeoisie ist die wirtschaftliche Gerechtigkeit aber nicht unbedingt ein Indikator für eine bessere Gesellschaft. Der linke Flügel der Bourgeoisie, die Sozialdemokratie, und die Strömungen um sie herum, haben im Grunde diese Begriffe wie soziale Leistungen etc. in ihr wirtschaftliches Konzept aufgenommen, um die Revolte der Armen bereits in der Wiege von Zivilisation und Industrie ersticken zu können, und sie haben auch immer rechtzeitig, den Schwankungen der Profitrate entsprechend, diese beiseite geschoben. Wir, als Kommunisten und Arbeiter, haben auch unsere Alternative für wirtschaftliche Gerechtigkeit. Uns geht es erstens darum, ein System auf der Basis unseres Verständnisses von wirtschaftlicher Gerechtigkeit zu schaffen, ein System, das diese wirtschaftliche Gerechtigkeit ständig reproduziert und sich auf deren Basis weiter entfaltet. 40 Jahre "Gerechtigkeit" in der Nutzung begrenzter Möglichkeiten durch Knochenarbeit und ein Absinken in absolute Armut und Arbeitslosigkeit. und zudem noch ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Reaktionen ausgesetzt zu sein, kann kein Grund zur Freude sein. Zweitens legen wir sehr viel Wert auf wirtschaftliches Wachstum, technischen Fortschritt, Expandierung der Produktionskapazitäten, Steigerung des Konsumniveaus und Wohlstand und Frieden für die menschliche Gesellschaft. Die Verteilung von wenig ist nicht unsere Alternative. Es ist zwar selbstverständlich, daß alle die Last der Entbehrung tragen müssen, aber dabei muß hier betont werden, daß Sozialismus die Wirtschaft der Expandierung der menschlichen Möglichkeiten und die Wirtschaft zur Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse aller Menschen ist.

Aber jetzt zum zweiten Teil der Frage. Was kann man der Behauptung, daß zumindest das westliche und "siegreiche" Modell des Kapitalismus das bisher beste, effektivste und machbarste System für die Menschheit gewesen ist, entgegenstellen? Ein besseres Wirtschaftssystem ist während dieses Jahrhunderts immer möglich und aktuell gewesen. Daß die Menschheit heute nicht in sozialistischen Verhältnissen lebt, liegt daran, daß sich das alte System mit Klauen und Zähnen, durch Ermordung, Folterung, Einschüchterung, Verdummung und Spaltung der Menschen verteidigt hat. Dieses System hat sich besser definiert, und Millionen von Menschen kämpfen und haben für dieses System gekämpft. Die Behauptung, daß der Kapitalismus die beste wirtschaftliche Ordnung wäre, ist die größte Lüge der menschlichen Geschichte. Von oben bis unten ist dieses System verrottet. Während hundert Millionen von Menschen kein Obdach haben, krank sind, keine Schulen haben, keine Lebensfreude und zum Teil sogar nichts zu essen haben, werden die Mittel für die Produktion und Befriedigung dieser Bedürfnisse stillgelegt, und Millionen von Menschen, die in der Lage wären, diese Mittel zu nutzen, um die o.a. Bedürfnisse zu befriedigen, werden arbeitslos gehalten. Statt dessen hat man einige eingestellt, die die Arbeiter erschießen sollen, falls diese versuchen sollten, diese Mittel in ihre Gewalt zu bringen. In der wiege der westlichen Zivilisation wird der Bergarbeiter, der Energie produzieren will, zusammengeschlagen und ins Gefängnis gesteckt. Während Weizen und Butterberge in den Lagern der Europäischen Gemeinschaft verfaulen, verhungern ein paar Schritte weiter die Menschen. Wir brauchen uns nicht einmal die Menschen in den unterentwickelten Ländern als Beispiel nehmen, was Prostitution, Armut, Obdachlosigkeit und Hungersnot angeht. Allein in den USA leben 30 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze, 10 Millionen Kinder sind nicht krankenversichert, und von New York bis Los Angeles sind Millionen von Menschen obdachlos. ln der ganzen Welt sind die Frauen gezwungen, sich mit Prostitution ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und die Organisierung dieser Prostitution und Drogengeschäfte sind Methoden, um reich zu werden und sich Ansehen zu verscharren. In England ist man sogar so großzügig geworden, daß man die Obdachloser, nachts in den U-Bahnstationen übernachten läßt. Ohne unbezahlte Hausarbeit und die Erniedrigung der Frauen kann diese Gesellschaft nicht auf eigenen Beinen stehen. Sie zwingt die Kinder zu arbeiten und schiebt alte Menschen beiseite. Diese Gesellschaft kann nicht produzieren, ohne daß dabei die Arbeiter ausgenutzt und zu Invaliden gemacht werden oder sogar ganz dabei draufgehen. Diese Gesellschaft kann ohne die Verleugnung des Menschseins der Mehrheit der Bevölkerung auf dem Erdball und ohne Ignorieren ihrer elementaren Bedürfnisse wie Essen, Gesundheit, Unterkunft und wirtschaftliche Sicherheit bis hin zu Frieden, Wissenschaft und Kunst nicht ihr Gleichgewicht halten.

Am wichtigsten, und das ist das Prinzip dieser beschämenden Realität, muß die Mehrheit dieser Gesellschaft ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten an eine Minderheit verkaufen, um überhaupt in dieser Welt leben zu dürfen. Die Produktion für die Bedürfnisse und den Lebensunterhalt des Menschen ist eng mit der Profitabilitäl des Kapitals verknüpft. Diese Tatsache ist die Wurzel für alle Ungleichheiten und Rechtlosigkeiten in dieser Gesellschaft. Lohnarbeit, die Aufteilung der Gesellschaft in Arbeiter und Kapitalisten, in Lohnempfänger und Lohnzahler und die Reduzierung der Arbeit von einer produktiven und kreativen Aktivität auf einen "Beruf”, um das Geld für den Lebensunterhalt zu verdienen, genügen, um den Bankrott dieses Systems zu beweisen. Meiner Meinung nach offenbart derjenige, der das vorhandene System als die beste und machbarste Ordnungbezeichnet, seine eigene schreckliche Seite. Tatsache ist, daß besonderes Marx mit seiner Kritik am Kapitalismus der Menschheit die Notwendigkeit und Möglichkeit eines überlegeneren, sozialen Wirtschaftssystems verkündet und sogar die Grundsätze dieser Gesellschaft skizziert hat. Eine Gesellschaft auf der Basis vollkommener Gleichheit und Freiheit der Menschen, eine Gesellschaft, basierend auf den kreativen Bestrebungen zur Befriedigung aller menschlichen Bedürfnisse, eine Gesellschaft, in der die Produktionsmittel das Gemeinschaftseigentum aller Menschen sind, eine Weltgesellschaft ohne Klassen, ohne Diskriminierung, ohne Landesgrenzen, ohne Staat ist längst möglich. Der Kapitalismus selbst hat die materielle Vorarbeit für dieses neue Wirtschaftssystem geleistet.

Frage: Einen Punkt, den die Bourgeois Kommentatoren der westlichen Welt, besonderes nach dem Scheitern des Ostblocks hervorheben, ist die Individualität und deren Vorrang, sei es in der Ökonomie oder in der Politik, Man sagt, daß nicht nur in einer Wirtschaft sowjetischer Art, sondern in allen Ländern, in denen in den letzten zwei, drei Jahrzehnten irgendwie Eine Wohlfahrtswirtschaft, unterstützt durch die aktive Rolle des Staates in der Produktion und Distribution und Regulierung der wirtschaftlichen Verhältnisse, ausprobiert wurde, die Zunahme der Verantwortung der Gesellschaft oder des Staates einerseits und die Schwächung der Individualität und Konkurrenz und der individuellen Motivation in der wirtschaftlichen Aktivität anderseits zu einer technischen Stagnation geführt hat. Solche Kommentatoren sind der Meinung, daß nicht nur Konkurrenz und Individualität die Säulen der kapitalistischen Gesellschaft sind, sondern ein unabdingbarer Bestandteil der ökonomischen Aktivitäten der Menschen allgemein. Der Sozialismus wird beschuldigt, die Gesellschaft der Individuen vorzuziehen und sogar einer Standardisierung der Menschen und die Vernichtung ihrer Individualität zu bezwecken. Welche Rolle hat diese Problematik in der wirtschaftlichen Sackgasse, in der sich der Ostblock befand, gespielt und wie sehen Sie das Verhältnis des Sozialismus zur Individualität?

Mansour Hekmat: Vor allen Dingen muß die Bedeutung von Individuum und Individualität nach Bourgeois-Ideologien unter die Lupe genommen werden. In dieser Ideologie, ist mit dem Individuum nicht der Mensch gemeint, und die Vorrangstelle des Individuums soll nach dieser Ideologie nicht mit der Vorrangstelle des Menschen gleich gestellt werden. Gerade die kapitalistische Gesellschaft und die Bourgeoisvorstellung von den Menschen ist es, die die individuellen Besonderheiten der Menschen und alle die Eigenschaften, die aus jedem von uns einen einzigartigen Menschen machen und unsere individuelle Identität definieren, abstrahiert und sowohl materiell und wirtschaftlich als auch moralisch und kulturpolitisch ein gesichtloses Bild ohne jegliche individuelle Identität des Menschen zum Vorschein bringt. In dieser Gesellschaft werden die Menschen nicht durch ihre individuelle Identität und ihre Eigenschaften, sondern als eine menschliche Verkörperung bestimmter wirtschaftlicher Verhältnisse miteinander konfrontiert und wirken als solche aufeinander ein. Die Beziehung zwischen den Menschen ist eine Form und eine Erscheinung der Beziehung zwischen Waren. Der erste Bestandteil der Definition der individuellen Eigenschaften, ist seine Beziehung zu Waren und dem Produktion- und Austauschprozeß. Das Individuum ist ein Lebewesen, das eine wirtschaftliche Position repräsentiert. Der Arbeiter ist der Träger der Arbeitskraft als Ware und ihr Verkäufer, der Kapitalist, ist das personifizierte Kapital und der Konsument ist der Besitzer einer bestimmten Kaufkraft auf dem Markt. In der kapitalistischen Gesellschaft wird der Mensch in diesen Verkörperungen identifiziert und anerkannt. Wenn der Bourgeoisdenker von dem Vorrang des Individuums und von Individualismus spricht, spricht er gerade nicht von dem Vorrang des Menschen, sondern was er meint, ist die Notwendigkeit der Abstrahierung von den menschlichen Eigenschaften eines jeden Menschen und seine Integration als eine Einheit in die wirtschaftlichen Verhältnisse und Relationen. Für die Bourgeoisie heißt der Vorrang des Individuums der Vorrang der Ware, des Marktes und des Tauschwertes als Basis für zwischenmenschliche Verhältnisse, weil nur in dieser Kapazität, nämlich als Verlauscher verschiedener Waren in der Institution Markt der Mensch sein eigenes Gesicht und seine eigene Identität verliert und als "Individuum", als eine menschliche Einheit im Besitz einer Ware mit Tauschwert gegenüber anderen Menschen auftritt.

Die Reduzierung des Menschen zu einem Individuum ist im Kapitalismus notwendig und unausweichlich, weil die Menschen die Logik ihrer wirtschaftlichen Position ausführen müssen und ihre Vernunft und menschlichen Prioritäten durch diese Logik ersetzen. Der Arbeiter muß versuchen, seine Arbeitskraft zu verkaufen und sie nach dem Verkauf dem Käufer liefern, d.h., anfangen für ihn zu arbeiten. Der Kapitalist muß auf die Notwendigkeiten der Kapitalakkumulation achten. Der Arbeiter muß mit den Verkäufern ähnlicher Waren konkurrieren. Der Kapitalist muß ständig die Produktivität der Arbeit und die Produktionstechnik verbessern, um seinen Anteil am produzierten Mehrwert erhöhen zu können. Er muß rechtzeitig entlassen und einstellen. Sollten die Menschen in jeder dieser Rollen ihre außerökonomischen Prioritäten umsetzen, würde der wirtschaftliche Mechanismus des Kapitalismus gestört werden.

Politisch hat die Diskussion um den Vorrang des Individuums eine ähnliche Funktion. Der Vorrang des Individuums ist die Grundlage des parlamentarischen Systems, in dem im Idealfall, nämlich wenn Kriterien wie Eigentum, männlich sein und weiß sein nach jahrzehntelangen Kämpfen der Menschen als Voraussetzung für die Teilnahme an den Wahlen abgeschafft worden sind, jedes Individuum eine Stimme für die Wahl der Abgeordneten im Natiönalparlament hat. Nach den Wahlen gehen die Leute nach Hause, und die Gewählten nehmen die Gesetzgebungsfunktionen zumindest auf dem Papier in die Hand. Jedes Individuum ist eine Stimme und kein Mensch, der die Fähigkeit hat, seine Bedürfnisse und Prioritäten zu erkennen und sie zu realisieren. Ein politisches System, bei dem eine dauerhafte Möglichkeit der Einmischung der Menschen besteht, z.B. ein Rätesystem, das eine permanente Beteiligung der Menschen in Entscheidungsprozessen, sei es auf lokaler oder nationaler Ebene, garantiert, wird aus der Sicht der parlamentarischen Denkweise als "nichtdemokratisch" bezeichnet. Im Bourgeois-System ist die politische Interpretation des Individualismus eine direkte Ableitung von dessen wirtschaftlicher Interpretation. Die Essenz ist die Vernichtung der konkreten Identität des Menschen im politischen Leben der Gesellschaft.

Lassen Sie uns nun zu Ihrer Frage über die Sowjetunion zurückkehren. Die sowjetische Wirtschaft war keine Wirtschaft in der Mensch im Mittelpunkt stand, so daß man behaupten könnte, daß dort das Bourgeoisverständnis von Individualität in Frage gestellt wurde. Es war der Eingriff eines administrativen Systems in den Marktmechanismus, der diesen Individualismus in Frage gestellt hat. Wenn westliche Kommentatoren auf die Verletzung des Individualismus und der Individualität in der Sowjetunion Hinweises protestiert sie in Wirklichkeit gegen ein System, in dem das Privateigentum am Kapital stark eingeschränkt worden ist und der Industrielle gezwungen ist, den Entscheidungen eines bürokratischen Systems und nicht der ökonomischen Logik des Marktes zu folgen. Anders formuliert: erstens fehlt dem Kapital eine Reihe von persönlichen und privaten Trägern und zweitens waren die sowjetischen Arbeiter- obwohl politisch gegenüber dem administrativen System vollkommen atomisiert und isoliert- wirtschaftlich keine Einzelanbieter ihrer Arbeitskraft und standen nicht im Konkurrenz mit anderen Arbeitern. Der Versuch des administrativen Systems, mit Hilfe wirtschaftlicher Kalkulationen das Kapital in profitablere Sektoren zu kanalisieren oder den Preis der Arbeitskraft so niedrig wie möglich zu halten, war aus der Sicht der Bourgeoisie kein Ersatz für einen freien Wettbewerb des Kapitals, und der Konfrontation des Kapitals mit der Arbeit auf einem Arbeitsmarkt mit freier Konkurrenz. Die Betonung des "Vorrangs des Individuums" als Argument gegen das sowjetische Modell, war ein Instrument gegen dieses administrative System und für die Freiheit des privaten Kapitals und die Ausweitung der Konkurrenz sowie der wirtschaftlichen Atomisierung der Arbeiter auf dem Arbeitsmarkt. Wie ich schon erläutert habe, war dieses administrative System nicht mehr in der Lage, die komplizierte und vielseitige Rolle des Marktes zu übernehmen, und erst recht nicht, die technologische Revolution, die in den Industrieländern stattgefunden hatte, in die sowjetische Wirtschaft einzuführen.So betrachtet, bin ich auch der Meinung, daß Individualismus und Konkurrenz der Warenbesitzer ein unentbehrlicher Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaft und die Hauptsäule für die technische Entwicklung in diesem System ist. Aber es muß hinzugefügt werden, daß der Kapitalismus sein Überleben unter anderem der Tatsache zu verdanken hat, daß die Bourgeoisie zu den entscheidenden Zeitpunkten das Ausmaß dieses Individualismus und des Wettbewerbs beschränkt hat, und sich dem wirtschaftlichen und außerwirtschaftlichen Eingreifen der administrativen Institutionen und Staaten in dieses System ausgeliefert hat. Wirtschaftliche Krisen mit ihren verheerenden Folgen und akute Stagnationen gehören genauso zu dem Wesen des kapitalistischen System wie die dauerhafte Verbesserung der Technologie und der Akkumulation. Dadurch rekonstrukturiert und reinigt sich der Kapitalismus. Das Bedürfnis der Bourgeoisie, das Ausmaß dieser Krise zu kontrollieren und noch wichtiger, die Notwendigkeit der politischen Verteidigung des Bourgeois-System gegenüber den Kämpfen der Arbeiterklasse, hat die Bourgeoisparteien und Staaten dazu gezwungen, ständig von oben in die Wirtschaft einzugreifen und dem Marktmechanismus gewisse Modifikationen aufzuerlegen. Der Thatcherismus und der Monetarismus der 80er Jahren wurde als eine Alternative gegenüber der keynsianischen Tradition und den sozialdemokratischen Strategien, die das Eingreifen des Staates und staatliche Investitionen für die Ankurbelung der Wirtschaft befürwortet hatten, vorgelegt, und es sieht so aus, als ob. sie auf dem Rückzug sind. Was ich sagen will ist, daß die Akzeptanz der zentralen Rolle des Wettbewerbs und des Marktes in der technologischen Entwicklung des Kapitalismus lange nicht heißt, daß die Bourgeoisie selbst das langfristige Überleben und Wachstum des Kapitalismus im freien Markt und im Wettbewerb sieht oder je gesehen hat. Der freie Markt, der behauptete vollkommene Wettbewerb und der wirtschaftliche Individualismus der neuen Rechten sind genauso aus der Luft gegriffen und unrealistisch wie die Idee eines geplanten Kapitalismus ohne Wettbewerb.

Über das Thema Sozialismus und Individuum oder besser gesagt Sozialismus und Mensch kann vieles gesagt werden. Bis heute ist Marx der seriöseste und radikalste Kritiker der Aushöhlung der Menschlichkeit in der kapitalistischen Gesellschaft gewesen. Die Diskussion über Warenfetischismus in "Das Kapital" soll die Tatsache deutlich machen, wie die kapitalistische Produktionsweise, und die Umwandlung der Produktion und des Warenaustausches zum Drehpunkt der menschlichen Beziehungen, die Ursachen für die Entfremdung und Geistlosigkeit der Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft sind. Der Sozialismus soll diese Identität den Menschen wieder zurückgeben. Das Motto, "jeder nach seinen Fähigkeiten und jedem nach seinen Bedürfnissen" beruht auf der Anerkennung und der Garantie des Rechtes eines jeden Menschen, seine Position im materiellen Leben der Gesellschaft bestimmen zu können. In der kapitalistischen Gesellschaft ist der Mensch blinden wirtschaftlichen Gesetzen unterworfen, die, losgelöst von seinem Gedankengang und seiner Urteilskraft, sein wirtschaftliches Schicksal bestimmen. Wie ich schon gesagt habe, bedeutet das Individuum im Bourgeoisverständnis ein Identitätsloser, ein entfremdeter Mensch, also ein Mensch, dem alle seine besonderen Merkmale und individuellen Eigenschaften geraubt wurden, und der nun als eine "Einheit" diese oder jene wirtschaftliche Beziehung oder Rolle in der Produktion verkörpern kann. Er kann Käufer oder Verkäufer einer bestimmten Ware werden. Es ist gerade die kapitalistische Gesellschaft., die auf diese Weise die Menschen standardisiert und aus ihnen Muster, kompatibel mit der wirtschaftlichen Arbeitsteilung macht. In diesem System sind wir eben keine bestimmten Menschen mit eigener Lebensanschauung, Menschen mit eigener Psychologie und eigenen Temperament und Gefühlen, sondern wir sind Inhaber bestimmter wirtschaftlicher Positionen. Wir sind lebendige Bindeglieder für den Austausch toter Waren. Sogar in unseren persönlichen Beziehungen zu anderen Menschen der Gesellschaft, zählt nur: Was machen wir beruflich, wie groß ist unsere Kaufkraft, zu welcher Klasse gehören wir usw. Man kategorisiert und beurteilt uns hinsichtlich unserer wirtschaftlichen Position und unserer Beziehung zu Waren. Die kapitalistische Gesellschaft hat auch schon den Lebensstil jeder dieser Kategorien vordefiniert. Was essen wir, was ziehen wir an, wo leben wir, was freut uns, wovor haben wir Angst und welche Träume und Ängste haben wir. Zuerst wird unsere menschliche Identität durch den Kapitalismus vernichtet, und dann werden wir mit vordefinierten wirtschaftlichen Identitäten versehen und so einander vorgestellt. Im Gegensatz dazu ist der Sozialismus eine Gesellschaft, in der der Mensch seine eigenen wirtschaftlichen Angelegenheiten selbst bestimmt. Der Mensch ist frei von blinden wirtschaftlichen Gesetzen und definiert selbstbewußt seine wirtschaftlichen Aktivitäten. Es sind die Menschen, die entscheiden und nicht der Markt, die Akkumulation und der Mehrwert. Dies nämlich, die Befreiung der gesamten Gesellschaft von den blinden wirtschaftlichen Gesetzen, ist die Voraussetzung für die Befreiung des Individuums und die Wiederherstellung der Menschlichkeit und einzigartigkeit eines jeden Menschen.

Die Verherrlichung des Individualismus seitens des Kapitalismus bedeutet in der Tat, die Verherrlichung der Atomisierung des Menschen; so wird die Masse der Menschen in einer Art und Weise flexibilisiert, daß man sie je nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Kapitals hin und her schieben kann. Betrachten Sie doch nur einmal, wo und wann die Bourgeoisie Individualität und individuelle Rechte lobt: Gerade dann, wenn der Versuch, die Wirtschaft zu regeln, den Marktmechanismus stören könnte und die Diskussion über soziale und außerwirtschaftlichen Prioritäten aktuell machen könnte. Mit der Diskussion über die Individualität und die freie Wahl des Einzelnen werden das öffentlich finanzierte Gesundheitswesen, die öffentlichen Schulen, die Kinderkrippen, die allgemeinen sozialen Leistungen, das Verbot der Entlassung, die Arbeitslosenversicherung usw. bekämpft. Genauso werden die Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen bekämpft, weil diese Organisationen zu einem gewissen Grad die Atomisierung der Arbeitnehmerinnen verhindern und das Ausmaß der Konkurrenz in den Reihen der Verkäufer von Arbeitskraft reduzieren und in gewisser Weise die Bestimmung der Löhne und Arbeitsbedingungen nicht den blinden Gesetzen des Marktes überlassen, sondern einen Platz für die Urteilskraft der Menschen bezüglich des Lohnniveaus und der Arbeitsverhältnisse schaffen. Gerade da, wo der Arbeiter und der Bürger seine Menschlichkeit geltend machen will und mit Rücksicht auf die menschlichen Bedürfnisse und Prinzipien eine wirtschaftliche Entscheidung treffen will, verletzt er aus der Sicht eines Bourgeois eben seine Individualität. Das allein zeigt, was der Vorrang der Individualität im Kapitalismus bedeutet.

Für den Sozialismus ist der Mensch die Basis, sei es als Individuum oder als Gemeinschaft. Der Sozialismus ist eine Bewegung zur Wiederherstellung der Zuständigkeit der Menschen. Er ist eine Bewegung zur Befreiung der Menschen von wirtschaftlichen Zwängen und von vordefinierten Produktionsmodellen. Er ist eine Bewegung zur Abschaffung der Klassen und der Beseitigung der Klassifizierung der Menschen. Dieses sind lebenswichtige Voraussetzungen für die Selbstverwirklichung des Individuums.

Frage: Was kann die sozialistische Gesellschaft an die Stelle von Konkurrenz und individuellen Anreiz setzen? Wie werden die permanente Verbesserung der Produktionsmethoden, die Zunahme der Vielfältigkeit und Qualität der Produkte, technische Entwicklung und Innovation, die wir sogar im Kapitalismus als technologische Revolution beobachtet haben, im Sozialismus garantiert? Welcher Mechanismus wird das permanente Streben der Menschen nach Innovation und quantitativer und qualitativer Optimierung der Produktion garantieren?

Mansour Hekmat: Sowohl die Verbesserung der Technik und der Qualität der Produktion als auch die Produktion lebenswichtiger Güter für die Menschen sind keine Erfindung des Kapitalismus. Der Kapitalismus ist eine bestimmte Produktionsweise, in der das permanente Bestreben der Menschen nach Reproduktion und Verbesserung ihrer Lebensbedingungen in einer bestimmten Art und Weise organisiert wird. Auch innerhalb dieser bestimmten Produktionsweise sind Konkurrenz und individueller Anreiz noch keine Quelle des technischen Fortschritts, sondern sie sind lediglich ein Medium und ein Weg, durch den sich noch grundlegendere Notwendigkeiten für das gesamte gesellschaftliche Kapital bemerkbar machen, an Institutionen und Menschen des Marktes weitergeleitet werden und sie zum Handeln zwingen. Die permanente Steigerung der Arbeitsproduktivität und der Mehrwertrate ist die notwendige Voraussetzung, um einen Abfall der Profitrate in einer Situation, in der das Volumen des konstanten Kapitals dauernd steigt, zu verhindern. Dieses Bedürfnis des gesamten gesellschaftlichen Kapitals wird durch den Markt in Form von Konkurrenz zu einzelnen Kapitalien und Betrieben weitergeleitet. Das Kapital, das seine Technik nicht optimiert, wird zugrunde gehen. Im nächsten Kettenglied läuft die gleiche Konkurrenz unter den Herstellern der Produktionsmittel ab. So wird die Wissenschaft, wissenschaftliche Neugier, Erfindung und Innovation durch den Markt und vom Kapital organisiert. Der Mensch strebt immer danach, sein Wissen zu steigern, die Produktionstechniken zu optimieren und seine Lebensqualität zu verbessern. Aber dieses naturgegebene Bestreben des Menschen wird im Kapitalismus im Dienste der Profit- und Kapitalakkumulation organisiert. Es besteht kein Zweifel daran, daß der Kapitalismus im Vergleich zu den vorherigen Systemen vielfach die Intensität und das Ausmaß der technischen und wissenschaftlichen Aktivitäten des Menschen gesteigert hat. Aber man darf die besondere Form der technischen und wissenschaftlichen Aktivitäten des Menschen in diesem System nicht mit der Quelle dieser Aktivitäten verwechseln. Nicht die Konkurrenz der Betriebe und die materiellen individuellen Anreize sind die Quelle der wissenschaftlichen Neugier und der technischen Innovation des Menschen. Sie sind eine bestimmte Form, in die der Kapitalismus dieses permanente Bestreben des Menschen genauso wie das Bestreben, seine lebenswichtigen Güter zu produzieren, einbringt.

Sei es im Kapitalismus oder in jedem anderen System: wir brauchen die Erfindung. Im Kapitalismus ist es der Markt, der die Bedürfnisse aufzeigt und die Höhe der Nachfrage zur Befriedung dieser Bedürfnisse festlegt. So wird das Kapital, das diese Bedürfnisse befriedigen kann, Gewinne machen. Durch diese kapitalistischen Gleichungen erkennen die Wissenschaftler und Spezialisten ihre technischen und wissenschaftlichen Projekte, es wird klar, wieviel in die technische und wissenschaftliche Entwicklung investiert werden muß, in welche Richtung die wissenschaftliche Forschung gehen soll, und welche Bereiche Priorität haben usw. .Im Sozialismus gibt es keinen Markt, keine Konkurrenz und keinen individuellen Profit, aber der Mensch, seine wissenschaftliche Neugier und sein Anreiz nach Innovation und Verbesserung seiner Lebensqualität existieren. Die wichtige Frage, die beantwortet werden muß, ist, durch welchen Mechanismus die wissenschaftlichen und technischen Bedürfnisse der Gesellschaft, die Wahl der Prioritäten, die Allokation der Ressourcen und die Organisierung der wissenschaftlichen und technischen Aktivitäten beim Fehlen eines Marktes, festzustellen sind. Meines Erachtens ist dies ein wichtiger Bereich der marxistischen Forschung und Untersuchung, und ich habe natürlich keine fertige Antwort dafür. Ich kann hier nur einige Punkte, die mir einfallen, nennen.

Zunächst ist zu beachten, daß die sozialistische Gesellschaft eine offene und informierte Gesellschaft ist. Es wird eine gängige Praxis dieser Gesellschaft sein, ihre Bürger permanent mit Informationen bezüglich der Bedürfnisse und Engpässe in den verschiedenen Bereichen des menschlichen Lebens und der Aktivitäten in der Welt zu versorgen. In dem vorhandenen System ist es der Markt, der die Kapitalisten über die Existenz von Nachfrage und Gewinnchancen für bestimmte Produkte informiert. In dem sozialistischen System werden die Bürger und ihre Institutionen einander ständig über die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Bedürfnissen, sowie über die technischen und wissenschaftlichen Fortschritte in verschiedenen Bereichen informieren. Es ist heute sogar möglich, mit der vorhandenen Technologie solche Informationen für jedermann zugänglich zu machen. Zweitens ist die sozialistische Gesellschaft eine Gesellschaft, in der die Menschen ein viel höheres, wissenschaftliches Niveau als heute besitzen werden. Die Profilierung von der Wissenschaft und die Teilnahme an wissenschaftlichen Aktivitäten wird kein Sonderrecht für eine bestimmte Gruppe von Leuten sein, sondern ein Grundrecht der Bevölkerung. Genauso wie früher Lesen und Schreiben ein Privileg von nur wenigen Menschen war, ist dieses heute ein Grundrecht der Bevölkerung. Wir beobachten heute sogar, wie die Nutzung von Computern und sogar deren professionelle und komplizierte Inanspruchnahme zumindest in entwickelten Gesellschaften weit verbreitet ist. Aber auch dies ist mit der Fähigkeit des Sozialismus, die wissenschaftlichen Kapazitäten der Allgemeinheit zu steigern und die Voraussetzung für die wissenschaftlichen Aktivitäten aller Menschen zu schaffen, noch nicht vergleichbar.

Vielleicht wird dagegen eingewandt, daß das Vorhandensein von Information über die Bedürfnisse und die Fähigkeit diese befriedigen zu können, noch lange nicht heißt, daß diese Bedürfnisse auch tatsächlich befriedigt werden. Was motiviert die Menschen, wenn der individuelle Anreiz nicht vorhanden ist, in technischen und wissenschaftlichen Bereichen aktiv zu werden? Für die Beantwortung dieser Frage muß auf die geistigen Merkmale des Menschen und deren Zusammenhang mit den sozialen Verhältnissen hingewiesen werden. Das klischeehafte Bild des Kapitalismus von Menschen und menschlichen Motiven kann nicht die Grundlage für die Organisierung des Sozialismus sein. Der Kapitalismus setzt auf die individuelle Suche von Vorteilen und das Konkurrenzdenken der Menschen und versucht, diese Eigenschaften in den Menschen zu verstärken, damit die kapitalistische Wirtschaft funktioniert. Der Sozialismus dagegen baut auf Nächstenliebe und den sozialen Charakter des Menschen. Nicht nur wissenschaftlichen Entfaltung, sondern auch die sozialistischen Ideale sind nur dann zu verwirklichen, wenn zunächst die Denkweise und die kulturellen Neigungen der Menschen von dem vom Kapitalismus verbreiteten Fanatismus befreit werden. Ich will nicht in die Diskussion über das Wesen des Menschen einsteigen, obwohl ich persönlich der Überzeugung bin, daß Humanismus und der soziale Charakter des Menschen viel grundlegendere und zuverlässigere Eigenschaften im Vergleich zu Konkurrenzdenken und Egoismus sind. Diese Tatsache wurde oftmals sogar in dieser zurückgebliebenen und fanatischen Klassengesellschaft bewiesen. Wenn die Menschen mehr Opfer als sonst bringen sollen, appelliert man immer noch an diese wohlwollenden Gefühle und Eigenschaften der Menschen. Der Sozialismus wird genauso wie jedes andere System, seine eigenen Menschen erziehen. Die Vorstellung einer Gesellschaft, in der das Motiv der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Praxis der Menschen, Anteilnahme am Wohlergehen atler und Teilnahme an gemeinschaftlichen Anstrengungen für die Verbesserung des Leben der Mitmenschen ist, dürfte nicht so schwer sein.

Auf einen weiteren Punkt muß ich noch hinweisen. Es ist eine Tatsache, daß der Kapitalismus selbst nicht nur auf der Grundlage einer industriellen Revolution eingetreten ist, sondern selbst im Vergleich zu den vorherigen wirtschaftlichen Systemen faszinierende technische Entwicklungen zustande gebracht hat. Gleichzeitig aber können wir weiter die lähmende und bremsende Rolle des Kapitalismus für die weitere Entwicklung der technischen Kapazitäten der menschlichen Gesellschaft beobachten. In dieser Gesellschaft entwickelt sich die Technologie nur in denjenigen Branchen, die profitabel sind und in denjenigen, die für die Erhaltung der politischen Herrschaft der Bourgeoisie notwendig sind. Wir beobachten eine gewaltige Entwicklung in der militärischen Technologie neben einem ernsthaften technischen Mangel in Medizin und Gesundheit, Bildung, Wohnungsbau, Landwirtschaft usw. Der größte Teil der Weltbevölkerung profitiert in seinem Alltagsleben nicht von den Früchten diesen technischen Entwicklungen. Das technische Gesicht des Sozialismus wird garantiert anderes als das des heutigen Kapitalismus aussehen, weil die technischen Prioritäten einer Gesellschaft, deren Grundlage die Verbesserung der menschlichen Verhältnisse ist, sich total von denen, deren Richtung der Profit bestimmt, unterscheidet.

Frage: Heute am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, welches die Kommunisten die Epoche der proletarischen Revolutionen genannt hatten, scheint die sozialistische Gesellschaft als Ideal genauso weit entfernt zu sein wie Anfang des Jahrhunderts. Wie erklären Sie als Marxist sich diesen Mißerfolg? Und wie sehen Sie die Aussichten für eine praktische Realisierung der proletarischen Revolution und der sozialistischen Gesellschaft?

Mansour Hekmat: Der Kommunismus sollte nicht als ein rationelles Modell oder als ein menschliches Ideal, und weil er vernünftig und wünschenswert ist, realisiert werden. Ein wichtiger Beitrag von Marx in der Geschichte der sozialistischen und der gemeinschaftlichen Bewegungen, ist der Hinweis auf den Zusammenhang zwischen den kommunistischen Idealen und den Aussichten ihrer Realisierung durch die sozialen Kämpfe einer bestimmten Klasse, nämlich der Klasse der Lohnabhängigen in der kapitalistischen Gesellschaft, gewesen. Der Sieg des Sozialismus konnte und kann nur das Ergebnis der Arbeiterbewegung sein. Deshalb bin ich der Meinung, daß die Nichtrealisierung des Sozialismus, hauptsächlich auf eine Verschiebung der sozialen- und der Klassenposition des Mainstream Kommunismus nach den Ereignissen in der zweiten Hälfte der 2Oer Jahre in der Sowjetunion zurückzuführen ist. Meines Erachtens hat die russische Revolution und das, was daraus wurde, die entschiedenste Rolle gespielt. Die Oktoberrevolution war eine Revolution der Arbeiter für den Sozialismus und wurde vom Bolschewismus als Vertreter des Arbeiterradikatismus und des Internationalismus geführt. Mit dem politischen Sieg der Oktoberrevolution entstand ein kommunistischer Pol, der sich in Opposition zur Erfahrung der zweiten Internationale formierte. Es liegt auf der Hand, daß sich viele Bewegungen, kommunistische Parteien mit diesem Pol eng verbunden fühlten. Die Gründung eines Sowjetstaates und einer Internationale basiert auf den Vorstellungen der Radikal- und Arbeiterströmung innerhalb der sozialistischen Bewegung, und ist eine der weitgehendsten Errungenschaften des Kommunismus als eine Bewegung der Arbeiter in diesem Jahrhundert gewesen. Wie ich schon gesagt habe, überlebte dieser Pol leider nicht als ein arbeiterkommunistischer Pol. Während der Debatten über die Zukunft der sowjetischen Wirtschaft, ist der Arbeiterkommunismus gegenüber der nationalistischen Perspektive und Politik auf der Strecke geblieben. Generell wurde der Arbeiterkommunismus durch die Etablierung eines geplanten Staatskapitalismus unter dem Mantel des sozialistischen Aufbaus in der Sowjetunion entwaffnet Später wurden der Kommunismus und die Arbeiter Schritt für Schritt an allen Fronten zum Rückzug gezwungen. Das gesamte Ansehen der Arbeiterrevolution wurde zum Kapital für einen bourgeois-sozialistischen Pol, und beeinflußte dementsprechend für die nächsten Jahrzehnte das Schicksal des kommunistischen Kampfes überall in der Welt. Mit der Herausbildung einer Bourgeois-Sowjetunion als Zentrale und Pol für den offiziellen Kommunismus wurde der Arbeitersozialismus an den Rand gedrängt. Später haben sich keine ernsthaften Parteien mit arbeitersozialistischer Tradition, die in der Lage gewesen wären, die Hegemonie des Bourgeois-Sozialismus in der sogenannten kommunistischen Bewegung herauszufordern, herausgebildet.

Ich muß betonen, daß der Nichtarbeiter-Sozialismus immer eine lebendige Strömung innerhalb der allgemeinen sozialistischen Tradition und der linken Kritik in der Gesellschaft gewesen ist. Schon vor der sowjetischen Erfahrung existierte diese Strömung im Konflikt mit dem Arbeitersozialismus. Wir wissen auch, daß die Wahl des Begriffes "Kommunismus" als Titel von Marx und Engels genau deshalb getroffen wurde, um die Zugehörigkeit ihrer Position zum Arbeiterflügel als einer bestimmten Strömung innerhalb des Sozialismus zu verdeutlichen. Mit der sowjetischen Erfahrung bekam die Überlegenheit des Nichtarbeiter-Sozialismus weitverbreitete und entscheidende Ausmaße, und der Arbeiterkomrnunismus konnte sich nicht mehr als eine Strömung, die das Schicksal des Sozialismus erfolgreich beeinflussen könnte, behaupten.

Ich bin der Meinung, daß der Kommunismus ab Ende der 2Oer Jahre voll aus seinem Kurs entgleiste. Diesmal wurde die sowjetische Problematik neben der Problematik des Kapitalismus zu einem zentralen Problem des wahren Arbeiterkommunismus. Der Mißerfolg des Sozialismus als ein Ideal ist darauf zurückzuführen, daß die einzige Bewegung, die dieses Ideal realisieren konnte, durch die "Nationalisierung” und Konfiszieren der Arbeiterrevolution in der Sowjetunion geschwächt und desorientiert wurde. Der Arbeitersozialismus hat sich bis heute nach der sowjetischen Erfahrung noch nicht wieder erholen können. Ich muß hinzufügen, daß ich, wenn ich von der sowjetischen Erfahrung spreche, nicht alleine die Ereignisse und Entwicklungen innerhalb eines Landes meine. Der Aufstieg des chinesischen Kommunismus als eine durchsichtige Umhüllung für nationalistische Ideale und Bestrebungen in einem hauptsächlichen Agrarland, der Aufstieg des militanten und linken Populismus, insbesondere in vom Imperialismus beherrschten Ländern, der Aufstieg einer linken Studentenbewegung und eines linken Liberalismus, die sich in der Neuen Linken Schule und einigen Prägungen des Trotzkismus in Westeuropa herauskristallisiert hatten, der Aufstieg des Eurokommunismus usw., welche alle pseudosozialistischen Aktivitäten anderer Sozialbewegungen als die der Arbeiterklasse repräsentierten, sind alle in irgendeiner Art und Weise Produkte des Scheiterns der Arbeiterrevolution in der Sowjetunion gewesen. Ohne diese Erfahrung, nämlich die des Scheiterns der Arbeiterrevolution in der Sowjetunion, wäre der Arbeitersozialismus in der Lage gewesen, seine Position als glaubwürdiger Mainstream des Marxismus und des sozialistischen Kampfes zu verteidigen und zu festigen.

Die Nichtarbeiter und pseudosozialistischen Bewegungen, die unter dem Mantel des Kommunismus und Marx aufgetreten sind, haben die Grundlagen des wahren Kommunismus in der Gesellschaft geschwächt. Das erste Opfer ist der marxistische Gedanke und die manistische Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft gewesen. Dieser Gedanke verlor seinen revolutionären Inhalt und statt dessen wurden eine Reihe von reformistischen und manchmal reaktionären Meckereien unter diesem Titel geführt. Die Marxsche wissenschaftliche Methode und Wahrheitssuche wurde entstellt und der Marxismus zu einem Lager von Klischees und biblischen Zitaten umgewandelt, die Nichts anderes waren als die niedrigen irdischen Ziele und Wünsche der Mittelklasse. Inzwischen ist es so, daß, wenn wir sagen, daß der Marxismus die Demokratie kritisiert, daß er gegen den Nationalismus ist, daß er die ökonomische Revolution als ausschlaggebend bezeichnet und die Lohnarbeit abschaffen will, daß er sich um nationale Kulturen und ethnische Identitäten nicht kümmert, daß er der Feind von Religion ist usw., man denkt, daß wir etwas ganz Neues sagen. Die Hegemonie der pseudosozialistischen Strömungen der Nichtarbeiterklassen und der Nichtarbeiterziele und manchmal Antiarbeiterziele, die unter kommunistischem und sozialistischem Namen verfolgt worden sind, hat während einer langen Periode dazu geführt, daß die Arbeiter sich auf eine gewerkschaftliche Bewegung beschränkten und sogar große Teile von ihnen der Sozialdemokratie, als dem linken Flügel der herrschenden Klassen folgten. Die Pseudosozialismen haben es geschafft, wenn Sie nicht die Arbeiterführer wie in der Sowjetunion offiziell abgeschlachtet haben, zumindest die Verbindung zwischen den Arbeitern und dem Kommunismus in großem Ausmaß zu zerschneiden. Sei es in Länder wie die Sowjetunion, China, Albanien usw. in denen Arbeitern abstoßende Beispiele von geschlossenen, despotischen und stagnierenden Gesellschaften als Sozialismus vorgeführt wurde, oder sei es in den westlichen Gesellschaften oder in den vom Imperialismus beherrschten Ländern in denen der Kommunismus und der linke Radikalismus dem inhaltlosen Geschrei der intellektuellen Opposition gleichgestellt worden war, das Ergebnis war nichts anderes als die Arbeiter vom Kommunismus zu entfremden und den kommunistischen Arbeiter innerhalb der Arbeiterklasse zum Schweigen zu bringen. Dank der Existenz dieser Strömungen degradierte sich der Arbeiterkommunismus, der einst in der Lage gewesen war, einen Bourgeoisweltkrieg Widerstand zu leisten und Länder in der Größe des zaristischen Rußlands und Deutschlands zur Revolution führen, für lange Zeit zu einer wenig einflußreichen Gegenstrombewegung. Mit dem Zusammenbruch dieser Pseudopole und der Abnahme der Popularität des Kommunismus und des Marxismus innerhalb der Nichtarbeiterschichten und ihrer Intellektuellen, fängt dieser Kreis erst heute an, sich zu schließen.

Wenn Sie fragen, warum der Kommunismus und der Sozialismus in diesem Jahrhundert nicht gesiegt haben, dann frage ich Sie welcher Sozialismus hätte siegen sollen? Unser Sozialismus nämlich der Arbeitersozialismus, hat durch die Niederlage, die ihm durch den Nationalismus in der Sowjetunion zugefügt wurde, für lange Zeit die Kraft verloren, in der heutigen Gesellschaft grundlegende Änderungen zustande bringen zu können. Er hat seine Klassenkraft an den Tradeunionismus, die Sozialdemokratie und den linken Reformismus verloren, und seine scharfe Kritik von der vorhandenen Gesellschaft wurde unter pseudosozialistischen Verfälschungen begraben. Heute sind wir gerade erst dabei, uns nach dieser Erfahrung wieder aufzurichten, und das vor dem Hintergrund einer neuen Offensive gegen die Arbeiter und den Sozialismus.

Zum Schluß muß ich noch einen Punkt hinzufügen. Ich gehöre nicht zu denjenigen Kommunisten, die den Endsieg des Kommunismus als unausweichliches Resultat des historischen Prozesses bezeichnen. Die Realisierung des Sozialismus kann nur das Resultat des Klassenkampfes sein, und dieser Kampf kann sowohl mit einem Sieg als auch mit einer Niederlage und Enttäuschung zu Ende gehen. Nicht nur der Kommunismus und eine freie menschliche Gesellschaft, sondern bürgerliche Barbarei in einem noch nie dagewesenen Ausmaß kann auch das Resultat dieser Auseinandersetzung sein. Trotzdem sehe ich angesichts des sich schließenden Kreises, von dem ich gesprochen habe, und angesichts der gewaltigen Kraft, die die Arbeiter heute ökonomisch auf gesellschaftlicher Ebene erzielt haben, die Zukunft des Sozialismus optimistisch. In jedem Fall hängt alles von den gesellschaftlichen Praktiken des Kommunismus und der Kommunisten ab.

Frage: Mangels eines realisierten Beispiel oder eines positiv definierten Modells der sozialistischen Gesellschaft sind die Kommunisten hauptsächlich wegen ihrer oppositionellen Forderungen bekannt. Denken Sie nicht, daß die sozialistische Gesellschaft konkreter definiert werden muß? Muß man nicht für die wirtschaftliche und politische Organisation einer sozialistischen Gesellschaft praktikable Konzepte haben?

Mansour Hekmat: Wäre diese Frage Anfang des Jahrhunderts einem Marxisten gestellt worden, hätte er geantwortet, daß die Aufgabe von uns Kommunisten nicht die Erfindung von Modellen und Utopien ist, sondern die Organisierung einer Revolution gegen das vorhandene System und seine konkreten Fundamente. Er hätte gesagt, daß unsere Ziele klar sind und der Prozeß der Arbeiterrevolution die praktische Form der Realisierung dieser Ziele zeigen wird. Ich denke, daß diese Antwort auch heute noch prinzipiell richtig ist. Trotzdem gibt es zwei Hauptgründe - den einen zu Recht, den anderen zu Unrecht - die dazu führen, daß heute viele die Notwendigkeit einer Herausstellung eines vordefinierten Modells des Sozialismus als begründet empfinden. Erstens wurden in der sowjetischen und chinesischen Erfahrung usw. praktisch Gesellschaftsmodelle als Sozialismus vorgeführt, bei denen wir als Kommunisten verpflichtet sind, deren Irrelevanz zum Marxismus aufzuzeigen, und bis zu einem gewissen Grad unsere Vorstellung eines praktischen Beispiels zu geben. In dieser Hinsicht akzeptiere ich diese Notwendigkeit noch gerade. Aber der zweite Grund, die allgemeine Kapitulation der Linken im politischen Kampf besonders in den westlichen Ländern, ist die Kapitulation gegenüber dem parlamentarischen System. Für viele sogenannte Kommunisten und Sozialisten ist das Parlament zum Hauptschauplatz des Kampfes um die politische Macht geworden. Im Gegensatz zum revolutionären Kampf, der hauptsächlich vor dem Hintergrund der Kritik und der Negation des bestehenden Systems geführt wird, wird ein Wahlkampf um eine vordefinierte Plattform geführt. Das genau ist der Unterschied zwischen Revolution und Reform. Die Reform muß konkret definiert werden. Dagegen ist die Revolution eine Bewegung gegen den bestehenden Zustand zur Errichtung anderer allgemeiner Grundsätze und Normen in der Gesellschaft. Eine revolutionäre Bewegung definiert ihre praktischen Formen der Realisierung im Prozeß der Zerschlagung des vorhandenen Zustandes. Dagegen versucht eine reformistische Bewegung mit ihrem konkreten reformistischen Programm Stimmen zu gewinnen. Der Kapitalismus selbst ist auch nicht nach einem klaren vordefinierten Modell entstanden, sondern dieses System ist das Ergebnis der Kritik des vorherigen Systems und der Formulierung allgemeiner Forderungen über politische und wirtschaftliche Freiheiten gewesen. Aus dieser Sicht bin ich der Meinung, daß die Notwendigkeit der Herausstellung einer konkreten politischen und wirtschaftlichen Plattform übertrieben wird. Ich denke, daß der Kommunismus - um die Arbeiterklasse zu gewinnen -seine kritische Position und seine Ideale der Arbeiterklasse bekannt machen muß, die allgemeine Richtung und die Grundsätze der neuen Gesellschaft definieren und gleichzeitig als eine lebendige politische Kraft vor dem Hintergrund der alltäglichen Auseinandersetzungen eine praktische und klare Plattform für Reformen haben muß.

Zuerst müssen die sozialistischen Ziele präzise definiert werden, und dann muß gezeigt werden, daß die Realisierung dieser Ziele möglich und machbar ist. Zum Beispiel muß zuerst klar gemacht werden, daß die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums nicht als Einführung von staatlichem Eigentum zu verstehen ist, und dann muß gezeigt werden, wie die Organisierung gesellschaftlicher Kontrolle über die Produktionsmittel durch die Bevölkerung machbar ist. Aber zunächst muß betont werden, daß der Sozialismus ein System ohne Geld und ohne Lohnarbeit ist, und dann muß gezeigt werden, daß die Organisierung der Produktion - ohne daß die Arbeitskraft eine Ware ist - möglich ist. Was nicht machbar ist, ist der Entwurf der Einzelheiten über die Produktion und die Verwaltung in der sozialistischen Gesellschaft. Die konkrete Form der Ökonomie, der Produktion und des administrativen Systems in der sozialistischen Gesellschaft muß sich im Laufe der historischen Entwicklung herausstellen. Unsere Aufgabe ist nicht, Utopien und Entwürfe zu konstruieren, sondern wir müssen zeigen, in welcher Hinsicht die sozialistische Gesellschaft sich von der heutigen Gesellschaft unterscheidet. Zum Beispiel werden wir den Prozeß des Absterbens des Staates nach einer Arbeiterrevolution dadurch verdeutlichen, daß wir das materielle Fundament des Staates in einer Klassengesellschaft und die Überflüssigkeit eines Staates aIs eine politische Institution in einer klassenlosen Gesellschaft erklären, und nicht durch die Herausgabe einer Broschüre, in der diese oder jene Partei ihr praktisches Programm für die schrittweise Abschaffung der staatlichen Institutionen und Behörden bekannt gibt.

Frage: Sowohl das politische und administrative System der Sowjetunion und des Ostblocks, als auch ihre wirtschaftlichen System werden als das natürliche und unausweichliche Resultat des Kommunismus wird mit “Totalitarismus” und dem Fehlen politischer Freiheiten gleichgesetzt und es wird geschlußfolgert, daß der einzige realistische und mögliche Weg für die Einmischung der Bevölkerung in die Verwaltung der Gesellschaft, der gewohnte Parlamentarismus und Pluralismus in den westlichen Ländern ist. Inwiefern ist diese Behauptung gerechtfertigt und ist die Alternative der Kommunisten, nämlich die Rätedemokratie, für die Einmischung der Bevölkerung in die Verwaltung der Gesellschaft mit der komplexen Struktur der heutigen Gesellschaft vereinbar und durchführbar, und , ist der Sozialismus ein Einparteiensystem?

Mansour Hekmat: Erstens war das politische System in der Sowjetunion und im Ostblock der politische und rechtliche Überbau des herrschenden Wirtschaftssystem in diesen Ländern, und dies hatte nicht das geringste mit Kommunismus, Sozialismus und Marxismus zu tun. Dieses System war nicht das natürliche Resultat der Oktober-Arbeiterrevolution, sondern wurde vielmehr erst durch die Rücknahme der Errungenschaften der Revolution und das Ersticken weitgehender politischer und rechtlicher Freiheiten, die durch diese Revolution erzielt worden waren, ermöglicht. Zweitens ist die Parlamentarismus eine konkrete Herrschaftsform der reichen Klasse. Abgesehen davon, daß der größte Teil der Entscheidungen, die für Millionen von Menschen in parlamentarischen Ländern lebenswichtig sind, außerhalb des Parlaments und durch eine politische, wirtschaftliche und militärische Elite, die durch niemanden zur Rechenschaft gezogen werden kann, getroffen werden, kann man das Parlament selbst kaum ein Organ zur Einmischung der Bevölkerung in die Angelegenheiten der Gesellschaft nennen. Alle vier oder fünf Jahre fallen sie mit Plakaten, Werbung und Versprechungen über die Menschen her, sammeln ihre Stimmen und verschwinden dann wieder. Wollen wir der Behauptung des parlamentarischen Systems Glauben schenken, dann müssen wir die merkwürdige Schlußfolgerung ziehen, daß die Bevölkerung der westlichen Länder seit 10 Jahren dabei ist, mit ihren eigenen Händen die sozialen Errungenschaften zu demontieren und sich selbst arbeits- und rechtlos zu machen. Es ist nicht klar, wie die Engländer der "Poll Tax" zugestimmt haben und in welchem Gremium die Amerikaner grünes Licht für den Golfkrieg gegeben und sich bereit erklärt haben, mit ihrem Leben und Geld dafür zu bezahlen. Solchen Behauptungen können nicht ernst genommen werden. Das parlamentarische System ist ein System, in dem alle paar Jahre einmal die Menschen ihr Schicksal in die Hände einer bestimmten Fraktion der herrschenden Klasse legen. Natürlich ist dieses System besser als ein despotisches Regime eines militärischen Generals oder ein offensichtlicher Polizeistaat. Aber es ein System zu nennen, das auf der direkten Einmischung der Bevölkerung in ihre Angelegenheiten basiert, ist zu weitgehend. Drittens ist das Parlament, genau wie Polizeiregime und militärische Juntas, das Resultat des Kapitalismus. Die ganze Welt ist kapitalistisch und die Anzahl der Regime, in denen ein nennenswertes Parlament, das auf der Basis einer nicht verfälschten Wahl und mit einem allgemeinen Wahlrecht gebildet worden ist und einen ernsthaften Anteil an der Gesetzgebung hat, sind sehr gering. Wer von der Politik im Kapitalismus redet, muß daran denken, daß Marcos, der Schah, Franko, Pinochet, Khomeinie, Saddam Hossein, Papa Doc und Baby Doc, General Evren, Hitler und Mousolini auch das Ergebnis dieses Systems gewesen sind. Der bürgerliche Pluralismus ist abhängig von der politischen und wirtschaftlichen Stabilität der Bourgeoisie in der Gesellschaft. Überall wo diese Stabilität gefährdet worden ist, haben sie das Parlament aufgelöst, Parteien verboten und auf despotische Herrschaftsformen zurückgegriffen.

Ist der Sozialismus ein Einparteiensystem? Der Kommunismus als das endgültige Ziel der Arbeiterrevolution hat keinen Staat als eine politische Institution. Aber der Übergang zu einer solchen Situation macht eine Art Staat nach der Machtübernahme durch die Arbeiterklasse notwendig. Der Arbeiterstaat ist aber kein Parteienstaat. Der Staat besteht aus der Institution der Arbeiter. Der Arbeiterstaat ist kein Staat der kommunistischen Partei der Arbeiter, sondern ein Staat der Räte und Organe der direkten Einmischung der arbeitenden Massen und Staatsbürger. Natürlich müssen die Parteien in diesem System frei sein, damit sie für die Annahme ihrer Strategien und Programme durch die Räte und Organe der direkten Demokratie werben können. Insofern kann die starke Position der kommunistischen Partei nur das Resultat ihre Fähigkeit sein, sich als eine Organisation der Arbeiter und einflußreicher Arbeiterführer behaupten zu können. Der Arbeiterstaat ist kein Einparteienregime. Gleichzeitig ist er kein Regime, in dem die Parteien die Staatsmacht übernehmen. Außerdem ist es, wie auch in allen anderen Punkten, meine persönliche Auffassung, daß der Arbeiterstaat kein ideologischer Staat ist: Eine freie Gesellschaft braucht keine offizielle Ideologie. Es ist die Aufgabe der Kommunisten, den Marxismus und die kommunistische Weltanschauung als eine Säule des Selbstbewußtseins der Gesellschaft zu verbreiten und populär zu machen. Die Entscheidung, ob diejenigen politischen Parteien, die den Sturz der Direkten- und Rätedemokratie der Bevölkerung wollen und für die Wiederherstellung der gestürzten Klasse kämpfen, aktiv sein dürfen oder nicht, ist die Angelegenheit der Räte, und sie werden darüber - wenn es aktuell wird- entscheiden. Auf jeden Fall lautet die Frage: welches ist der effektivere Weg für die Bekämpfung dieser Parteien, ihr Verbot oder ihre Zulassung.

Ist das Rätesystem mit der heutigen komplexen Gesellschaft vereinbar? Ich bin der Meinung, daß gerade in einem Rätesystem, nämlich einem System, daß gestützt ist auf die direkte Einmischung der Staatsbürger von der kommunalen bis zur landesweiten Ebene- in die gesellschaftlichen Angelegenheiten, man vor dem Hintergrund der komplexen Wirtschaft und Arbeitsteilung der heutigen Welt, eine dauerhafte Mitwirkung der Bevölkerung an politischen, wirtschaftlichen und administrativen Entscheidungen garantieren kann. Im parlamentarischen System, werden die Politik und die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten zu Fachkenntnissen und somit für die Menschen unerreichbar. In einem Rätesystem steht die Machtbefugnis jedes Rates in Relation zu seinem Bereich der Aktivitäten. Jeder Rat wird von Vertretern einer Gruppe von Räten einer tieferen Ebene gebildet. Die gesamte Rätestruktur, von der untersten kommunalen Ebene bis hin zur landesweiten und zentralen Ebene, ermöglicht sowohl die effektive Einmischung der Bevölkerung und ihrer Vertreter als auch die Kontrolle der Wähler über ihre Bevollmächtigten. Das parlamentarische System ist eine Tarnung für die Macht einer Bourgeoisoligarchie. Das Rätesystem ist ein Medium für die direkte Einmischung der Bevölkerung selbst.

Frage: Ein Resultat des Zusammenbruchs des Ostblocks ist der Rückgang der Parteienzugehörigkeit und Parteienaktivitäten. Abgesehen von den Parteien des sowjetischen Lagers, die sich auflösen oder zumindest ihrer formalen Zugehörigkeit zum Kommunismus abschwören, gibt es auch radikale Linke, die die gegenwärtige Periode für die Organisierung in einer Partei nicht als günstig bezeichnen und der Meinung sind, daß man theoretische Arbeit leisten muß oder als Sozialisten in den verschiedenen Bewegungen aktiv werden muß. Wie ist Ihre Meinung? Außerdem sind Sie einer der Gründer einer neuen Partei, die Vor hat, entscheidender als bisher als eine marxistische-und Arbeiterorganisation ihre Aktivitäten fortzusetzen. Denken Sie nicht, daß die Gründung eine Arbeiterkommunistischen Partei in der gegenwärtigen Situation auf Unglauben stößt oder sogar lächerlich gemacht wird?

Mansour Hekmat: Es gibt immer Leute, die über Sozialismus, Organisiert sein und große Ideale haben, mit den Achseln zucken. Die Verhöhnung des Sozialismus und der Arbeiter wurde in der bürgerlichen Gesellschaft immer belohnt, und vielleicht haben sich heute sogar noch mehr Leute in den Medien, Universitäten und politischen und propagandisitischen Institutionen für solch ein "ehrenhaftes Verhalten" entschieden. Dies ist aber nicht unser Problem. Aber über die radikalen Linken und die sorialistischen Aktivisten, die neben ihrer Überzeugung für die Fortsetzung der sozialistischen Aktivitäten, eine Parteibildung in der gegenwärtigen Periode ablehnen, möchte ich noch ein paar Worte sagen. Ich bin auch der Meinung, daß die theoretische marxistische Arbeit und Beteiligung an den Arbeiteraktivitäten heute für Kommunisten von größter Bedeutung ist. Meine Betonung liegt hier auf den Ausdrücken "marxistisch" und "Arbeiter", weil ich weiß, daß für viele Linke die theoretische Arbeit oder die grundsätzlichen Bewegungen nicht diese besondere Bedeutung haben, und sie damit oft kulturelle Aktivitäten und Teilnahme an Bewegungen wie Verteidigung der Minderheitenrechte, Umwelt, Demokratisierung des politischen Systems usw. meinen. Ich denke, daß, obwohl die Linken an solchen Bewegungen auch aus vollem Herzen teilnehmen müssen, man dieses besonders heute nicht als theoretische Arbeit oder als Grundsätzliche Aktivität für die Kommunisten bezeichnen kann. Aber sogar für Jemanden, der die theoretische Arbeit oder die Arbeiterbewegung im Auge hat, ist Nicht organisiert sein in einer Partei ein grundlegender Fehler. Initiativen, Arbeitskreise, theoretische Schulen und Persönlichkeiten können nicht politische Parteien ersetzen. Ich denke, daß wenn Arbeiterkommunistische Parteien, die in der Lage wären, die gesamte Klassenalternative gegenüber der herrschenden Klasse zu präsentieren, fehlen und wenn keine Parteien vorhanden sind, die die Vernetzung der kommunistischen Aktivitäten in verschiedenen Bereichen als ihre Aufgabe bezeichnen und versuchen, ein vielseitiges Bild vom kommunistischen Kampf zu vermitteln, der die gesamte kapitalistische Herrschaft attackiert, die Aktivitäten von Sozialisten und sozialistischen Kreisen in diesem oder jenem Bereich keine längerfristige Spur hinterlassen. Besonders denke ich, daß wenn der Arbeiterkommunismus nicht als politische Partei auftritt, die Anstrengungen der Sozialisten in Kreisen und Initiativen nicht auf Dauer radikal und kritisch bleiben kann. Die bürgerliche Gesellschaft assimiliert sie und läßt sie so aussehen wie sich selbst. Die Welt ist voller sozialistischer Kreise, Initiativen und Sozialisten gewesen, die in verschiedenen Bereichen eine "alternative Aktivität" initiiert haben, aber kurz danach ist dieselbe alternative Aktivität zu einer Säule der offiziellen Tradition geworden. Radikalismus in der Gesellschaft ist abhängig von der Position der Arbeiterklasse im Kampf zwischen den Klassen. Für diesen Kampf braucht man in erster Linie die Arbeiterkommunistischen Parteien.

Ich denke, die Abwendung von der Parteiarbeit, die wir heute beobachten, ist das Ergebnis der großen Offensive der Bourgeoisie gegen den Kommunismus im allgemeinen und gegen den organisierten Kommunismus im besonderen. Wenn der Kommunismus verboten wird und die Kommunisten verfolgt werden, verlieren die kommunistischen Parteien ihre Mitglieder, und manche werden sich sogar auflösen. Das ist für alle verständlich. Es sieht zwar äußerlich so aus, als ob im Westen der Kommunismus nicht verboten ist, aber die propagandistische Offensive der Bourgeoisie gegen den Sozialismus hat neben der wirtschaftlichen Offensive gegen die Arbeiterklasse und durch die bestehende Massenarbeitslosigkeit den gleichen Effekt. Man kann sehr gut verstehen, warum sich viele von den sozialistischen Organisationen distanzieren. Deshalb lege ich nicht viel Wert auf diese ach so klugen Theorien darüber, daß heute "keine Periode der Parteiarbeit" ist. Der Mensch versucht immer, für seine ganz klaren und eindeutigen Entscheidungen, philosophische und komplizierte Gründe zu finden. Wenn der Druck auf die Arbeiter und den Kommunismus abnimmt, wird wieder eine "Periode der Parteiarbeit" kommen! Ich denke dies ist ein vorübergehender Rückzug und die Protestbewegungen der Arbeiter in Frankreich, Deutschland, Rußland und vielleicht sogar in den U.S.A. werden in den nächsten Jahren dieser geistigen Atmosphäre ein Ende setzen.

Frage: In Westen sind wir Zeugen wichtiger reaktionärer Prozesse. Der Sozialstaat wird bid auf den letzten Stein abgebaut und die eben vorhandene Verantwortung der Gesellschaft für Wohlstand und Sicherheit des Individuums wird so ebenfalls in Frage gestellt. Nationalsozialismus, Faschismus und Rassismus sind reaktiviert worden. Parallel dazu werden wir Zeugen eines unübersehbares gesitigen Rückschritts, der sich zum Beispiel in der Zustimmung zum Militarismus und zur militärischen Aggression des Westens, zur Rechtfertigung der Massenarbeitslosigkeit und Armut, zur Zustimmung des Nationalitäten-und Religionsfanatismus, zu dekadentem, öffentlichem, von der Staatspolitik abhängigem Journalismus usw. zeigt. Wohin wird uns diese Entwicklung führen? Wird sich dieser Rückschritt längerfristig etablieren oder handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen?

Mansour Hekmat: Meiner Meinung nach werden es letztendlich die Sozialisten und Arbeiter sein, die die Richtung dieses Weges bestimmen. Das bedeutet nicht, daß alle Fraktionen der Bourgeoisie geneigt sind, diesen Weg bis zur Etablierung eines superreaktionären politischen Überbaus zu Ende zu gehen. Ich denke, daß z.B. Rassismus und Faschismus, in dem Ausmaß, wie es von den Rechtsextremen beabsichtigt wird, nicht einmal endgültige Zustimmung innerhalb der westlichen Bourgeoisie findet. Tatsache aber ist, daß sich erstens das längerfristige und dauerhafte Gleichgewicht eindeutig weiter rechts einpendeln wird, und zweitens, daß die Erzielung eines neuen Gleichgewichts mit viel Leid, Krieg und Blutvergießen verbunden sein wird, wenn man diesen Prozeß den verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie überläßt. Faschismus, Rassismus, Militarismus, Religion und Nationalismus sind keine Strömungen, die sich zunächst von der Mitte und den Konservativen ausnutzen lassen, um dann beiseite geschoben werden zu können. Heute wird es diesen Strömungen erlaubt, an Boden zu gewinnen, damit in der so geschaffenen Atmosphäre Radikalismus und der Schrei nach Gerechtigkeit und Freiheit unterdrückt werden und rechts gerichtete Gesetze als Basis für die neue Weltordnung durchgesetzt werden können. Vielleicht denken die Konservativen, daß es ihnen gelingen wird, kurz vor den Gaskammern oder einem verbrecherischen Krieg die Notbremse ziehen zu können. Auch wenn das, was uns morgen erwartet, nicht so schwarz zu sehen sein sollte; der Weg dorthin wird für die heutige Generation sehr schmerzhaft und voller Leid sein.

Meiner Meinung nach sind es die Arbeiterklasse und die sozialistischen Kräfte in der Gesellschaft, die diese Entwicklung stoppen können und müssen. Das Anwachsen des Faschismus und die Reaktionen darauf sind nur Teilaspekte der heutigen Turbulenzen im politischen Klima der westlichen Gesellschaften. Diese Länder sind dabei, langsam die Politikmüdigkeit der 80er Jahre zu überwinden. Die Gesellschaft ist auf dem Weg zu Polarisierung und Politisierung. Ich denke, daß diese Entwicklung selbst die Voraussetzung für die Entstehung einer neuen Linken, eines intervenierenden Arbeitersozialismus in den westlichen Ländern schaffen wird.

Trotzdem bin ich der Ansicht, daß die Bekämpfung der Einflußnahme des Faschismus, des Rassismus, des Nationalismus und allgemein der politisch extrem rechten Fraktion viel machbarer ist, aIs sich auf wirtschaftlichem Gebiet gegen die Bestrebungen, den "Wohlfahrtskapitalismus" abbauen zu wollen, zu wehren. Die Angriffe der Bourgeoisie auf Wirtschaftsformen, die aus den 60er und beginnen den 70er Jahren übrig geblieben sind, sind viel konsequenter und verzweifelter als die stattfindenden politischen Angriffe. Außerdem sind sich die verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie auch im wirtschaftlichen Bereich einiger. Selbstverständlich wird diese wirtschaftliche Offensive zu einer grundsätzlichen Revision des Selbstbewußtseins der Gesellschaft und des Stellenwertes des Bürgers in dieser Gesellschaft führen. Am Ende dieses Prozesses wird der durchschnittliche Mensch, oder konkret gesagt, derjenige, der seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf seiner Arbeitskraft verdienen muß, ein noch rechtloserer, ehrloserer und noch weniger respektierter Mensch sein als heute. Wenn die medizinische Versorgung privatisiert wird und die Arzt- und Medikamentenkosten vom "Konsumenten" zu tragen sind, erweckt das dem Anschein, als ob eine bestimmte Wirtschaftspolitik praktiziert wird. Aber was gleichzeitig passiert, ist die Etablierung der folgenden Realität in der Gesellschaft, nämlich daß das Recht auf Gesundheit vom Einkommensniveau und Besitz abhängig gemacht wird. Genauso siecht es im Bereich der Bildung, Freizeit usw. aus solche ideologischen, politischen und rechtlichen Rückschritte, die anscheinend noch nicht "faschistisch" sind, sind viel tiefgreifender, und ihre Bekämpfung isl im Vergleich zu den Erscheinungsformen der Rechtsextremen viel schwieriger.

Frage: Für Sie sind dann Faschismus und Rassismus keine ernstzunehmenden Gefahren für die westliche Gesellschaft?

Mansour Hekmat: Lassen Sie mich das mal so formulieren, daß die Wiederholung der Erfahrung von Nazideutschland für die Faschisten nicht einfach wäre. Die Linken und sogar die Kräfte im Zentrum der Gesellschaft werden starke Reaktionen gegen die Faschisten zeigen. Vielleicht ist der Nährboden für das Wachstum des Rechtsextrimismus in Deutschland, Frankreich oder manchen Republiken der ehemaligen Sowjetunion besser und in England und den U.S.A. schlechter. Auf jeden Fall aber werden die Faschisten - bis sie eine dominierende Kraft sein werden- in Westeuropa auf gewaltige, objektive Hindernisse und politischen Widerstand stoßen. Ich denke sogar, daß die Arbeiterklasse und die sozialistische Kraft mit ihrem heutigen Grad der politischen Aktivität diese Gefahr bewältigen kann. Es ist natürlich klar, daß man versuchen muß, diese Kraft gegen den Faschismus und den Rassismus zu mobilisieren. Zweifellos. werden die Faschisten stärker und als eine organisierte und starke rechtsextremistische Kraft sich ihren Platz auf der politischen Bühne dieser Länder sichern. Aber ich denke nicht, daß sie in der Lage wären, in der vorhersagbaren Zukunft eine dominierende oder entscheidende Kraft innerhalb der Bourgeoisie zu werden.

Frage: Was den Rassismus betrifft, ist das Problem komplexer. Rassismus in diesen Ländern ist tiefverwürzelter und institutionalisierter und es gibt vielerlei Grunde, die auf ein weiteres Wachstum des Rassismus in Zukunft hinweisen, obwohl die Bourgeoisie dieses Problemen offiziell verpönt. Zum Beispiel werden sich ein Aspekt der Idee des Vereinigten Europas vollkommen gegen die Einwohner der sogenannten Dritte- Weltländer. Europäische Identität wird nicht nur im Unterschied zu der nationalen Identität der Engländer und Deutschen, sondern gegenüber asiatischer afrikanischer Identität hervorgehoben. Der rassistische Unterton der Einheit Europas ist gelegentlich und hier und da konkret bei der Definition der europäischen Kultur und des europäischen Charakters zu hören. Im Hinblick auf die gegenwärtige Arbeitslosenrate in Europa selbst und die Armut, das wirtschaftliche Chaos und die politische Unterdrückung in vielen asiatischen und afrikanischen Ländern, und die daraus resultierende Einwanderungswelle nach Europa, sieht es so aus, daß die rassistische Provokation und das Anheizen der ethnischen Konflikte ein Schauplatz wird, von dem sich die Bourgeoisie nicht sehr einfach zurückziehen will. Die offizielle Politik in solchen Ländern wird höchstens versuchen zu verhindern, daß die Faschisten in dieser Situation übermäßig stark werden. Sicherlich aber werden die zivilrechtlichen Gesetze zu Ungunsten der Ausländer geändert.

Die Entwicklungen der letzten Jahren hat zwei gegensätzliche Trends offenbart. Einerseits sind wir Zeugen zunehmender nationalistischer Bewegung in den Ostblockländern und der Sowjetunion geworden, die zum Auseinanderbrechen der Sowjetunion und der Bildung von nationalen, ethnischen und religiösen Fronten geführt haben. Anderseits ist Westeuropa dabei, die nationalen Grenzen anschaffen und ein vereinigtes Europa zu schaffen. Welche dieser Entwicklungen sind Wegweiser für die Zukunft? Einigungstendenz in Westeuropa oder Nationalismus und Bildung nationaler Einzelstaaten in Osteuropa?

Mansour Hekmat: Ich meine, keine von beiden Entwicklungen. Der Nationalismus im Ostblock ist das Resultat des Auseinanderbrechen dieses Blocks und nicht dessen Ursache. Deshalb kann eine Runde zunehmender nationalistischer Bestrebungen im Osten nicht für die ganze Welt verallgemeinert werden. Diese Entwicklung ist kein Hinweis darauf, daß wir weltweit eine neue Periode der Wiederbelebung des Nationalismus zu befürchten haben. Andererseits bezweifle ich, daß der Plan der europäischen Einigung als ein ernsthafter Abschied vom Nationalismus in Europa bezeichnet werden könnte. Es geht viel mehr darum, in Konkurrenz zu den U.S.A. und zu Japan einen Binnenmarkt zu bilden, als von nationaler Identität zu übernationaler Identität überzugehen. Die Sowjetunion selbst war lange Zeit ein einheitlicher Binnenmarkt mit einer eigenen Währung, einem eigenen Staat, einer eigenen einheitlichen Armee und einem zentralen wirtschaftlichen Management und hat sich heute zu einer Zentrale nationalen Konflikt gewandelt. Es ist deutlich zu beobachten, daß der Plan der europäischen Einigung die europäische Identität gegenüber den Nichteuropäern gesteigert hat, ohne daß die europäischen Länder ihre nationale Identität einbüßen mußten. Was passiert, ist, daß neue politische und wirtschaftliche Blöcke, zusammengesetzt aus verschiedenen Ländern, die alte Ordnung ersetzen und eher noch mehr Konfliktstoff in sich bergen.

Ich denke, daß die kapitalistische Erfahrung verdeutlicht hat, daß, obwohl die Kapitalbewegung und Internationalisierung der Arbeitsteilung in verschiedenen Branchen die wirtschaftlichen Grenzen unbedeutender machen, die Ungleichmäßigkeit der kapitalistischen Entwicklung, die Knappheit des Kapitals auf dem Weltmarkt und die allgemeine Instabilität des Kapitalismus, den Nationalismus auf der politischen Ebene und in den wirtschaftlichen Strategien verschiedener Fraktionen der Bourgeoisie am Leben hält. Ich denke, daß der Kapitalismus nicht unbedingt grundsätzlich, sondern im Hinblick auf seine konkrete bisherige Entwicklung die nationale Identität und den Nationalismus braucht. Deshalb wird jede Art von Einigung nichts anderes sein als die Festsetzung neuer Abgrenzungen. Egal wie stark die von der Natur gegebene Neigung des Kapitalismus zur Internationalisierung auch sein mag, es sieht so aus, daß es die Aufgabe der Arbeiterrevolution und des Internationalismus ist, die Menschheit vom Nationalismus und nationaler Identität zu befreien.

Zusammenfassend denke ich nicht, daß wir in einer nationalistischen Epoche leben. Es ist auch keine Epoche seines Absterbens. Weder hat der Nationalismus besondere Antworten auf die Probleme des gegenwärtigen Kapitalismus, noch ist der Nationalismus sonderlich unter Druck. Was sich ändert, ist die nationale Zusammensetzung der kapitalistischen Welt und nicht der Stellenwert des Nationalismus in dieser Welt.

Frage: Es sieht so aus, als ob in einer Situation, in der die Bourgeoisie der Gesellschaft ihre Vorstellungen von Politik, und Kultur und Wirtschaft und von verschiedenen Formen von Nationalismus und Religion bis hin zum Rassismus und Faschismus vorführt, die Arbeiterklasse dabei ist, sich auf wirtschaftlichem Gebiet zu verteidigen. Man kann dieses sowohl in den westlichen Ländern als auch in Osteuropa beobachten, wo die zunehmende Armut es wahrscheinlicher macht, daß sich die Arbeiterschaft auf wirtschaftliche Abwehrkämpfe beschränkt. Ist diese Entwicklung nicht beunruhigend und wie kann man sie ändern?

Mansour Hekmat: Diese Situation beunruhigt mich auch sehr. Die Selbstbehauptung der Arbeiterklasse in der politischen Sphäre ist keine bloße Ausdehnung des wirtschaftlichen Kampfes. Die Arbeiter haben sich bisher wenig in die Politik eingemischt. Die Arbeiterschaft kann zusammen mit Arbeiterparteien, seien es reformistische oder revolutionäre Arbeiterparteien, an der politischen Auseinandersetzung teilnehmen. Wir leben in einer Zeit, in der alle Parteien und politischen Traditionen, die auf irgendeine Weise ein Medium zur politischen Teilnahme der Arbeiter an der Gesellschaft gewesen sind, wie z.B. die Sozialdemokratie und verschiedene Fraktionen des Kommunismus an einem Tiefpunkt angelangt sind. Die Erwartung, daß die Arbeiter auf wirtschaftlichem Gebiet vorankommen können, ohne sich dabei in politischen Parteien zu organisieren, ist historisch gesehen eine unbegründete Erwartung. Ich persönlich bin der Meinung, daß sich die Sozialdemokratie demnächst nicht gerne als ein politisches Abbild der Gewerkschaftsbewegung profitieren will. Die Sozialdemokratie hat sich weitgehend von der Arbeiterschaft entfernt und denkt zunehmend an die Mittelschichten in der Gesellschaft. Außerdem fehlt der Sozialdemokratie ein klares wirtschaftliches und soziales Programm. Deshalb hängt alles vom Schicksal des Arbeiterkommunismus ab. Aus diesem Grund denke ich, daß sich die Arbeiter ohne eine ernsthafte Bemühung erstens zur Abwehr der heutigen antikommunistischen Offensive und zweitens ohne Gründung kommunistischer Parteien, die sich an der Organisierung der Arbeiterklasse beteiligen und sich in die politische Auseinandersetzung einmischen, sich mit einem noch arbeiterfeindlicheren politischen und ideologischen Gleichgewicht konfrontiert sehen werden, selbst wenn es ihnen gelingen wird, einige ihrer Errungenschaften auf wirtschaftlichen Gebiet zu verteidigen. Ich denke, daß es in der gegenwärtigen Periode nicht an Protesten der Arbeiterklasse mangeln wird. Aber wie diese Kämpfe ausgehen und welche Wirkungen sie in der Gesellschaft hinterlassen werden, ist eine andere Frage. Der zweite Aspekt ist eng mit den kommunistischen Aktivitäten auf Gesellschaftsebene und in der Arbeiterbewegung verknüpft.

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Ein Interview von International (Zeitung der Arbeiterkommunistischen Partei Irans) mit Mansur Hekmat im Februar 1992.

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