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Offensichtliche Lehren aus Berlin


Das Ergebnis der Schauprozesse der Islamischen Republik im Iran und die demzufolge ausgesprochenen langen Haft- und Verbannungsstrafen gegen einige der moderatesten Kritiker der klerikalen Herrschaft, die an einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in April 2000 in Berlin teilgenommen hatten, offenbart nur eine Tatsache, nämlich die politische Berechtigung der Empörung und Proteste derjenigen Freiheitsliebenden und Revolutionäre, die mit ihren Protestrufen „Nieder mit der Islamischen Republik“, „Es lebe die Freiheit“ den Konferenzsaal zum Beben brachten und das deutsch-iranische Zsenario für eine internationale Akzeptanz und Salonfähigkeit des Islams und des Islamischen Regimes im Iran aufs schärfste entlarvten.

Mit den ersten Angriffen der rechten (und konervativen) Kräfte [1] gegen die aus dem Iran nach Deutschland gereisten und geladenen Gäste der Berliner Konferenz 2 , ja sogar bevor überhaupt irgend jemand vors "Gericht" zitiert wurde, offenbarten (die Veranstalter und die offiziellen Referenten von Herr Bahman Nierumand und Heinrich-Böll-Stiftung bis Herrn Sahhabi, Raiss-Dana und Djalai-Pour) die wahren Gründe der Entstehung dieser Konferenz. Sie sollte als ein Projekt zur Normalisierung und Ausdehnung der Beziehungen des Westens mit dem Iran beitragen. Sie bezeugten, daß dies ein Vorschlag seitens Deutschlands gewesen sei:

Sie wollten im Hintergrund der außergewöhnlichen Reise Khatamies im selben Jahr im Juli nach Deutschland die erforderliche Grundlage in der Öffentlichkeit fördern. Sie wollten die iranische Opposition prüfen und sie sogar zum Schweigen bringen. Es sollte der (Welt) Öffentlichkeit ein verträgliches Bild von dem islamischen Regime präsentiert werden. "Der kritische Dialog" sollte seine Früchte tragen. Es war wieder Zeit für die Ausdehnung von Handel, Bankkrediten und gegenseitigem Austausch von Waffen und Pistazien. Sie sagten, daß der Nachrichtendienst und die staatlichen Instanzen vollständig über diese Konferenz informiert waren und sie sogar selbst bewilligten und die nötige Arbeiten dazu erleichterten. Die angereisten Referenten und spätere Angeklagten schwörten es, daß sie an dieser Konferenz teilnahmen, um der islamischen Ordnung und seinem Staatswesen zu dienen und sie waren überzeugt, diesen Dienst entschieden vollbracht und würdig erwiesen zu haben.

Die anwesenden "Erneuerer" [2] der Berliner Konferenz sollten das Bild eines anderen Irans und einer anderen Islamsischen Republik repräsentieren, welches eigentlich die Unterstützung des Westens gegen die entschiedenen Widersacher dieses Staates verdient hätte. Das Bild einer "freundlichen" Islamischen Republik mit paradiesischen Zuständen, wo völlig harmlose Mullahs mit leuchtenden Erscheinungen, sanften Gewändern und samtenen Turbanen Hand in Hand beflügelt den Schmetterlingen hinterherlaufen, Briefmarken sammeln und den Umgang mit dem Internet lernen. Das Bild eines Regimes, dessen Revolutinswächter ihre mit Blut verschmierten Hände reingewaschen haben und nun nur Filme für Festivals produzieren und sich mit Philosophie beschäftigen. Ein Land, in dem sich Frauen - obwohl sie noch ihre Schleier eigentlich nur wegen "ihrer Kultur" fest zwischen den Zähnen halten - mit Erlaubnis ihrer Ehemänner von früh bis spät Feminismus und Radfahren üben dürfen. Ein "ziviler" Iran also beglückt von "Toleranz und Erfüllung" sowie "gesetzlicher Achtung".

Diese "Erneuerer" sollten Kund geben von nicht so fernem Sieg der tapferen Kämpfer islamischer Reformen, die die Exekutive in der Hand haben, einige Schritte entfernt von dem Sieg über die Festung der Legislative, der dann auch allem anderem ein endgültiges Ende setzen würde.

Sie waren nach Berlin gereist, um das Lächeln Khatami´s und die Genehmigung zum Erscheinen von Presseorganen früherer Revolutionswächter als die politische Öffnung, Redefreiheit und Entstehung einer zivilen Gesellschaft den Europäern verkaufen. Sie waren nach Berlin gereist, um die groteske Darbietung der Islamischen Versammlung "Magles" als ein gesetzliches Parlament darzustellen. Sie waren nach Berlin gereist, um das systematische Abschlachten der Regimegegner auf Verbrecherbanden und zersprengte Gruppierungen zu schieben und somit jegliche Verantwortung der Islamischen Republik, deren Führer und Staatspräsident, Magles, Legislative, Rechtssystem, Kabinett, Nachrichtendienst und allen ihren Staatsdienern in dieser Angelegenheit gänzlich von sich zu weisen.

Sie waren nach Berlin gereist, um die systematische Säuberung von etlichen Generationen, die Hinrichtungen und Steinigungen, die namenlosen Gräber, die verdienst-und mittellosen Arbeiter, die entrechteten Frauen, die zukunftslose Jugend, die mit Unglück und Kummer überzogenen Kinder, die unterdrückten Überzeugungen, die erwürgten Stimmen, die absolute Entrechtung von Menschen auf allen gesellschaftlichen Ebenen und im Grundsatz aller Gesetze, der tödliche Hieb des Schwertes der Vergeltung und Blutrache "Gesas" und die Herrschaft islamischer Grausamkeit in jeder Lebenslage und im Bewußtsein der Bürger dieses mit Schmerz, Tragik und Trauer überzogenen Landes hinter der Fassade eines reaktionären Mullahs und dessen hohlen Geschwafel über den "modernen Islam" zu verschleiern.

Sie waren nach Berlin gereist, um die islamische Republik zu verteidigen, für sie Propaganda zu betreiben und die entschiedenen Widersacher der islamischen Herrschaft in die Enge zu treiben.

Sie versuchten es; erreichen konnten sie dieses Ziel aber nicht. Im Gegenteil, die Berliner Konferenz verwandelte sich in ein Podium des Protestes und massiven Entlarvens des islamischen Regimes als Ganzes und dessen Daseinsberechtigung einerseits und andererseits die Enthüllung einer erbärmlichen Allianz der reaktionären "Opposition" des Regimes und der deutschen Regierung in ihrer Zusammenarbeit mit ihr zugleich.

Die Überlebenden der verfolgten und ermordeten Generationen und Hinterbliebenen der Opfer, Freiheitsliebende und vor allen die Kommunisten räumten mit diesem Marionettentheater gründlich auf. Die Wahrheit und das wahre Gesicht der reaktionären islamischen Schreckensherrschaft im Iran hielten sie allen Anwesenden vor Augen. Sie äußerten lauthals den Wunsch der Mehrheit der Menschen im Iran nach dem Sturz der islamischen Herrschaft. Sie konnten somit das mit mehreren Millionen Mark finanzierte Propagandaprojekt der beiden Regierungen Irans und Deutschlands unwirksam machen.

Die deutschen Behörden und die Heinrich-Böll-Stiftung, Bahman Nierumand und seine Kumpanen behaupten, von den Urteilen der islamischen Rechtsprechung im Iran zu tiefst "schockiert" zu sein! Aber war dies nicht genau die Wahrheit, deren Aussprache während der Berliner Konferenz sie mit Hilfe deutscher Polizei zu verhindern versuchten? Ging es eben nicht um diese Wahrheit, daß es unter der islamischen Herrschaft keine Rede-und Meinungsfreiheit gibt; daß dort die Menschen halt wegen ihrer Meinung und ihres Denkens überhaupt als ein Verbrechen ermordet und wegen ihrer purer Freude am Feiern verhaftet und gepeinigt werden. Hatten diese "überraschten" Geister keine Ahnung von Folter und Hinrichtungen der vergangenen zwanzig Jahre, von Steinigungen, von geheimen Mordaufträgen schwarzer Todesschwadronen des Herren Führers und denen der Ministerien des Herren Präsidenten? Haben nicht hunderte von Protestierenden, die während der selben Konferenz laut Kund taten, daß Freiheit im Iran nur mit dem Umsturz dieses Regimes als Ganzes möglich sei, daß eben die heutigen "Reformkräfte" weitere Flügel derselben Herrschaft seien, daß dieses Regime in seinem Wesen nicht im geringsten veränderbar sei?

Die Rechtsprechung bzw. ausgesprochenen Strafen der islamischen Gerichtsbarkeit im "Berliner Prozeß" hat nicht im geringsten mit der Teilnahme, Meinungsäußerung und Stellungnahmen der Verurteilten in dieser Konferenz zu tun. Manche wie Herr Sadr oder Herr Rostamkhani hatten überhaupt nichts mit dieser Konferenz zu tun. Diese Urteile haben nichts mit dem Protest der Regimegegner im Konferenzsaal in Berlin und die Reaktionen und Stellungnahmen der aus dem Iran eingereisten Referenten zu den dortigen Ereignissen zu tun. Die existierenden Videoaufnahmen von dieser Konferenz bezeugen deutlich, wie leidenschaftlich und Inbrünstig die meisten der Verurteilten ihre islamische Regierung im Iran in Schutz nahmen. Nicht nur das, sondern manche wie Herrn Sahhabi, Raiss-Dana, Djalai-Pour, Eshkevari und einige andere in den Zeitungen, Vorträgen - oder in ihrer späteren Verteidigung - nahmen immer wieder die Arbeiterkommunistische Partei Irans sowie die revolutionären Verfechter des Regimeumsturzes unter dem Beschuß von härtesten Attacken und gezieltem Persönlichkeitsterror. Sie hatten im geringsten kein Problem damit, uns als Handlanger fremder Mächte zu nennen und somit praktisch den aus ihrer Sicht begründeten Aufruf "Fetwa" zu unserem Todesurteil zu verlangen. Wenn die Berliner Konferenz etwas dem "rechten Flügel" der islamischen Regierung klarstellte, war es die tiefste Verbundenheit und Treue der "Reformkräfte" zum Wesen dieses Herrschaftssystems "Nezam".

Die Tragikkomik dieses Ereignisses ist die Tatsache, daß wenn die Verurteilten nun vor dem islamischen Gericht im Iran harte Gefängnisstrafen erhalten haben, dann ist es genau wegen ihrer unnachgiebigen Treue. Sie sind Opfer der politischen Sackgasse islamischer Reformbestrebung. Sie sind Opfer der bornierten Bestrebung zur Mäßigung des Regimes und eben des unermüdlichen Verhinderns seiner Umwälzung.

Zeitlich gesehen, zwischen Berliner Konferenz und der aktuellen Rechtsprechung im "Berliner Prozeß" hat die sogenannte "Reformbestrebung der Staatspräsident Khatamie" ihre politische "Halbwertszeit" erreicht und ist an ihrem Endpunkt angelangt. Die trügerische "Hoffnung islamisher Reformbestrebung" ist nun wie eine Seifenblase geplatzt. Die Verurteilten sind auch etwas wie die Kriegsgefangene dieser Illusion. Ihrer Führer (Khatamie) hat schon längst aufgegeben, ihre strategische Ideologen sind in einem Engpaß geraten und ihre Truppen sind in die Flucht geschlagen worden.

Selbst die deutschen Instanzen und ihre "fassungslos" unter Schock stehenden iranischen Freunde wissen zu gut, daß der Staatsterrorismus, kriegsgerichtsähnliche Prozesse, islamische Vergeltung und Blutrache "Gesas", Folter und Hinrichtung seit über zwanzig Jahren unaufhörlich im Gange sind. Sogar der "Berliner Prozeß" wurde als ein geschickter Ablenkungsmanöver zum Vertuschen einer Reihe staatlich verordneter Auftragsmorde "Kettenmorde" inszeniert. Schon seit Beginn des "Berliner Prozesses" sind 800 Personen zum Tode und zur Steinigung verurteilt und das (alltägliche) Töten ist verstärkt worden. Mehrere Hundert Personen wurden wegen Feiern des christlichen Neujahrsfestes verhaftet, gepeitscht und gepeinigt. Das sind die Wahrheiten des islamischen Irans der Herren Khamenei, Khatami und Rafssandjani.

Die Verurteilten dieses Schauprozesses müssen sofort freigelassen werde. Für uns ist dies ein Abschnitt des ununterbrochenen Kampfes zum Sturz des verabscheuungswürdigen islamischen Regimes und zur Befreiung aller seiner Opfer. Das ist der Kampf, der gegenwärtig mit einer hohen Geschwindigkeit an Kraft gewinnt. Diejenigen, die damals während der Berliner Konferenz die Wahrheit unermüdlich aussprachen, werden ihren würdigen Platz an der Spitze der historisch bedeutenden politischen Veränderungen und Entwicklungen Irans wiederfinden.

Mansoor Hekmat


[1] Gemeint sind die Anhänger der relegiösen Führer Khameneies
[2] Die Anhänger des Staatspräsidenten Khatamie


hekmat.public-archive.net #1700de