Status             Fa   Ar   Tu   Ku   En   De   Sv   It   Fr   Sp   Ca   Ru  

Todesstrafe
Die erbärmlichste Form des bewussten Mordes


Frage: Die Arbeiterkommunistische Partei Irans hat in ihrer Literatur eindeutig über die Notwendigkeit gesprochen, die Todesstrafe abzuschaffen. Was ist die Begründung der API für die Notwendigkeit der Abschaffung der Todesstrafe?

Mansoor Hekmat: Die Todesstrafe ist die Terminologie des Staates für Mord. Personen ermorden einander, aber die Staaten verurteilen die Personen zur ‚Todesstrafe'. Die Forderung, Mord als Todesstrafe zu beenden und zu verbieten, kommt von dem Widerstand gegen den absichtlichen, bewussten und geplanten Mord, Einer durch den Anderen. Dass ein Staat oder eine herrschende politische Kraft dafür verantwortlich ist, macht nicht den leichtesten Unterschied für die Tatsache aus, dass wir uns mit absichtlichem Mord befassen. Die Todesstrafe ist die verabscheuenswerteste, beklagenswerteste und entsetzlichste Form des absichtlichen Mordes vordem eine politische Autorität, öffentlich, mit vorheriger Ankündigung im Namen der Gesellschaft, mit der äußersten Gesetzmäßigkeit und Rücksichtslosigkeit beschließt, jemanden zu ermorden, und dazu das Datum und die Zeit des Ereignisses ankündigt.

Frage: Wie kann mit der Aufhebung der Todesstrafe die Klagen gegen Mörder ausgeglichen werden?

Mansoor Hekmat: Es ist eine interessante Frage. Mit der Abschaffung der Todesstrafe, wird direkt vom Anfang, ein führender Mörder, der Staat, sofort gestoppt. Ihre Frage deutet an, als ob die Todesstrafe erfunden worden ist, um die Klagen gegen Mörder auszugleichen, oder als ob der Gesetzgeber es nach langen Überlegungen für das Verbrechen des Mordes geeignet fand. Die Todesstrafe hat jedoch -wie auch immer- nichts mit Mord in der Gesellschaft zu tun. Sie hat ihre eigene Geschichte. Die Rechte und die Kräfte des Staates über die Staatsbürger sind die Fortsetzung der Rechte und der Kräfte des Staates in der Vergangenheit. Wenn Agha Mohammad Khan Ghajar[1] alle Bewohner einer Stadt blendet und tötet, wendet er sich nicht gegen ein bestimmtes Verbrechen. Wenn ein Pferdedieb in Amerika gehängt wird, oder ein Soldat, der dem Militärdienst geflohen ist, hingerichtet wird, melden sie keine Klage in einen richterlichen Sinn an, aber sie weisen eher den Menschen ihre Plätze zu, und zwingen sie dazu, sich Regeln und Bestimmungen zu fügen. Sie terrorisieren die Menschen. Sie regieren sie. In der heutigen Welt ist die Todesstrafe nicht nur eine so genannte Strafe für Mord, sondern sie ist auch eine Strafe für unautorisierten Sex, für Hamstern, für das Glauben an gemeinsames Eigentum, für das Gründen von Oppositionsparteien, - für das Spotten von Gott und Propheten, für Homosexualität, usw. Vom Anfang an der staatlichen Herrschaft, war und ist das Töten von Einwohnern immer ein Standbein gewesen, um die Menschen in die Unterwerfung zu zwingen. Die Geschichte der Todesstrafe wird nicht in den rechtlichen Debatten über Verbrechen und Strafe, sondern eher in der Geschichte der Klassenherrschaft und des Staates gefunden. Staaten töten heute ihre Bürger. Dies muss gestoppt werden.

Sie fragen, was wir mit Mördern tun können, wenn es keine Todesstrafe gibt. Das Töten der Mörder ist eine Wiederholung von Mord. Dies kann nicht getan werden. Was sonst getan werden kann, hängt von der rechtlichen Philosophie der Gesellschaft ab. In diesem gegenwärtigen System könnte ein Mörder eingesperrt werden. In einer idealen Gesellschaft vielleicht, könnten die Menschen vor der Wiederholung des Mordes geschützt werden, oder der Mörder könnte dazu gebracht werden, seine Schande zu verstehen, ohne sogar seiner/ihrer Freiheit beraubt zu werden. In einer idealen Gesellschaft kann es sogar möglich sein, Bedingungen zu schaffen, dass vorher überlegter Mord überhaupt nicht vorkommt.

Frage: Wie würde die API die Pasdaran[2] und die Folterer behandeln, die gefangen genommen, und des Mordes für schuldig erklärt wurden?

Mansoor Hekmat: In unserem Rechtssystem gibt es keine Todesstrafe oder lebenslängliche Freiheitsstrafe. Eindeutig sollten diese Leute eingesperrt und an ihnen gearbeitet werden, so dass sie wieder in die Gesellschaft zurückkehren können und ihnen verziehen werden kann.

Frage: Wie werden die Familien der Ermordeten ohne die Todesstrafe ihre Gerechtigkeit bekommen?

Mansoor Hekmat: Die Idee, dass die Familie des Opfers das Blut des Opfers besitzt, und dass diese Gerechtigkeit eine Schuld ist, die von der Gesellschaft eingefordert wird, ist ein rückwärtiges und unannehmbares Konzept. Die Traurigkeit und das Leid der Familie des Opfers sind unbestreitbar. Aber wenn die Todesstrafe erlaubt ist, um ihr Leid zu beruhigen, warum wird dann ein Mord wegen ähnlicher Emotionen nicht entschuldigt? Kann jemand, der Demütigung erlitten hat, zermalmt wurde, alles verloren hat, ein Drogensüchtiger geworden ist, Bankrott erlitten hat oder obdachlos geworden ist, einen Mord begehen, um seine bittere Gefühle zu beruhigen? Ist der Staat eine legale Mordmaschine, auf die sich Individuen für Vergeltung beziehen können? Ist die Gerechtigkeit ein Begriff, der durch die Vergeltung ersetzt wird? Über die Bedeutung der Gerechtigkeit sollte vielleicht später gesprochen werden. Das Konzept ist nicht so objektiv und losgelöst vom Klassensystem, wie einige denken mögen.

Frage: Würde die Abschaffung der Todesstrafe nicht zu gesteigertem Verbrechen führen?

Mansoor Hekmat: Nein, im Gegenteil. Wie ich zuvor sagte, wird die lange staatlich gesponserte Mordliste sofort gestoppt. Die Regierung der USA und ihre Ankläger sind die beschäftigtesten professionellen Mörder in diesem Land. Die Abschaffung der Todesstrafe ist wie das Festnehmen von 150 Serienmördern auf einmal! Weiterhin kann eine Gesellschaft, die das Töten von Menschen gesetzlich erlaubt, nie in der allgemeinen Öffentlichkeit dessen Wiederholung verhindern. Die Abschaffung der Todesstrafe und den Wert des menschlichen Lebens zu erklären, ist der erste Schritt im Kampf gegen eine Kultur des Mordes in der Gesellschaft. Die offiziellen Statistiken zeigen eindeutig, dass in Holland, Skandinavien und Großbritannien, wo die Todesstrafe verboten ist, die Mordrate im Verhältnis zur Bevölkerung viel geringer ist als in den Vereinigten Staaten.

Frage: Was sollten Ihrer Meinung nach die Ziele sein, beim Bestrafen von Verbrechern?

Mansoor Hekmat: Ich bin nicht sicher, ob Strafe grundsätzlich ein gutes Wort für ein humanes Rechtssystem ist. Nach meiner Meinung, neben der Vorbeugung und dem Entfernen der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Grundlage des Verbrechens, muss sich eine Gesellschaft zuerst, mit der minimalen Verwendung von Gewalt und dem minimalen Entzug des normalen Lebens des Täters, sich vor der Wiederholung einer Tat schützen. Zweitens muss sie diesen Personen helfen, sich umzuwandeln. Ich denke, dass die Vergeltungen und Bestrafungen, die ein Exempel an Personen statuieren, verboten werden müssen. Wir müssen einen Punkt erreichen, wo die Gesellschaft sich so von der Gewalttätigkeit distanziert, indem sie sie wie Naturkatastrophen behandelt und sich beeilt, den Opfern zu helfen, und sich bemüht, ihre Wiederholung zu vermeiden und den Schaden zu minimieren, ohne irgendjemanden dadurch zu opfern, indem man sie in den Vulkan oder das Meer wirft.

Frage: Wenn die Abschaffung von Todesstrafe darin besteht, das menschliche Leben und das Recht zu leben zu schätzen, wie behandeln wir dann die Forderung nach der Freiheit von politischen Gefangener, die unschuldige Menschen während des Verlaufs ihrer politischen Aktionen getötet haben? Was sollte man mit einem Kämpfer machen, der eine Bombe in einem Bus oder an anderer Stelle gelegt hat, und infolgedessen eine oder mehrere Personen getöteten hat? Müssen wir ihre Freiheit fordern?

Mansoor Hekmat: Ich nenne eine Person, die eine Bombe in Bussen und Flugzeugen legt, nicht einen Kämpfer. Leider wurde diese Methode für einen bestimmten Zeitraum, in einigen legitimen Bewegungen populär, und wurde später zu einer Kunst des Tötens in der Maske der Politik durch einige reaktionäre Bewegungen emporgehoben. Ich habe keine allgemeine Formel, um mich mit ihnen zu befassen. Es hängt von dem Staat ab, mit dem sie kämpfen. Es hängt von dem Rechtsstandard des gegebenen Landes und seiner zugelassenen Rechtmäßigkeit, und von den Bedingungen des Falles ab, unter denen es vorkommt. Nach meiner Meinung, ist der Fall von jenen, die nichtmilitärische Ziele bombardieren, kein politischer Fall. Es ist möglich, sekundäre politische Gründe für das Verbrechen bereitzustellen, aber es ist kein politischer Fall. Jedoch, wenn diejenigen, die nichtmilitärische Ziele angegriffen haben, verhaftet werden sollen, würden mehrere westliche Präsidenten und Premierminister, Hunderte amerikanischer und europäischer Bürokraten, Generäle und Kommandanten, die Ersten sein, die beschuldigt werden. Ich sehe keinen Unterschied zwischen Timothy Mc Veigh, der solch ein massives Verbrechen in Oklahoma begann, und jenen, die Schutzräume, Schulen und Häuser bombardierten und so viele in Bagdad töteten.

Frage: Welche Autorität kann diese vor Gericht stellen?

Mansoor Hekmat: Eine Kraft, die dazu die gesetzliche Rechtmäßigkeit hat. Dementsprechend ihrer Definition haben despotische Regierungen dazu keine solche Rechtmäßigkeit. Nach meiner Meinung, um die General Schwartzkopfs und die Bin Ladens zu verurteilen, könnten akzeptable Gerichte sogar in dieser bourgeoisen Welt gefunden oder geschaffen werden.

Frage: Was ist Ihre Definition eines politischen Gefangenen?

Mansoor Hekmat: Nach meiner Meinung gibt es zwei Kategorien von politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen, die für diese Diskussion relevant sind. Ein politischer Gefangener ist jemand, der wegen dem sich Entgegenstellens gegen eine Regierung im Gefängnis sitzt. Dementsprechend müssen politische Gefangene befreit werden. Da sollte es keinen Prozess geben. Jeder, der politische Aktivitäten gegen eine Regierung ausgeführt hatte, darf überhaupt nicht festgenommen werden. Außerdem haben Kriegsgefangene auch keine Verbrechen begangen, und müssen nicht ihrer bürgerlichen Rechte einschließlich ihrer Freiheit, beraubt werden. Dies ist natürlich nicht nur eine Angelegenheit zwischen Staaten. Nach meiner Meinung müssen Mitglieder von Guerillaorganisationen, die den Krieg gegen Staaten erklärt haben und gefangen genommen wurden, Anspruch auf dieselben Rechte wie Kriegsgefangene haben. Die gegenwärtigen Gesetze müssen zutiefst zugunsten dieser Gefangenen geändert werden. Das Einsperren des Individuums und das Berauben von seinem/ihrem normalen Lebens müssen verboten werden. Aber Vorbereitungen können getroffen werden, um das Individuum davon abzuhalten, sich an seine/ihre Armee bis zum Ende des Krieges wieder anzuschließen, oder bis es sichergestellt ist, dass er/sie am Krieg nicht wieder teilnimmt. Schließlich haben wir ein anderes Konzept von Kriegsverbrechen. Dieses Konzept muss ernsthaft umdefiniert werden, und alle Fälle einschließen, wo Kräfte nichtmilitärische und zivile Strukturen angreifen. In den letzten Jahren haben wir Zeuge der weitverbreitetesten Kriegsverbrechen, die durch westliche und lokale Regierungen in den unterschiedlichen Ländern wie Irak und Jugoslawien begangen wurden. Es gibt viele Kriegsverbrecher, die unter den Menschen als Führer, nationale Helden und Patrioten frei herumwandern, die angeklagt werden müssen.

Frage: Was sind die Gründe hinter dem Beharren darauf, und dem Eifer der islamischen Fundamentalisten, ihre Gegner zu vernichten und zu töten?

Mansoor Hekmat: Ich habe nicht darüber geforscht, ob jemand zuerst davon angezogen wird, zu morden, und dann ein islamischer Fundamentalist wird, oder umgekehrt, aber ich bin sicher, dass die Antwort irgendwo in Ihrer Frage ist.

* * *


[1] Agha Mohammad Khan Ghajar - Ein König im achtzehnten Jahrhundert aus dem alten Persien

[2] Pasdaran - die Muslimischen Revolutionären Wächter

Das oben Genannte ist eine Zusammenfassung eines Interviews, welches zuerst in persisch in Khavaran, der Vierteljahresschrift der Organisation in Verteidigung politischer Gefangener im Iran', herausgegebenen wurde. Es wurde am 3. November 2000 im wöchentlichem‚ International', Nr. 26, nachgedruckt. Die englische Version ist ein Nachdruck vom WPI- Briefing.


Übersetzung auf deutsch von Bijan Shahabi
Editor: Tom Selec
hekmat.public-archive.net #2090de